Neuer Podcast und neuer Artikel veröffentlicht

Christoph Pacher, der Betreiber der Podcast-Reihe „The State of Process Automation„, hat mich ein zweites Mal interviewt. Diesmal ging es um weitere Details zum Prozessgesteuerten Ansatz. Zudem diskutierten wir folgende Fragen:

  • Welche Herausforderungen können durch den Prozessgesteuerten Ansatz gelöst werden?
  • Welche Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, um den Prozessgesteuerten Ansatz einsetzen zu können?
  • Projektbeispiele für den Einsatz des Prozessgesteuerten Ansatzes

Zudem bin ich in einem neuen Artikel der Frage nachgegangen, ob bei der Namensgebung für bestimmte Technologien der IT-Industrie nicht ein wenig geschummelt wird. Die Frage ist, ob durch die Namen nicht mehr versprochen wird, als die Technologien letztendlich leisten können. Verdeutlicht habe ich die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit an den beiden Technologien Robotic Process Automation (RPA) und Process Mining. Beide Veröffentlichungen sind über diesen Link aufrufbar.

Podcast über Prozessmanagement, PDA und PiDiArtify

14 Tage nach Start der PiDiArtify-Initiative hatte ich in dem Podcast WinDig erstmalig Gelegenheit, über die Hintergründe meiner Initiative zu sprechen. Darüber hinaus ging es in dem Gespräch aber auch um Prozessmanagement im Allgemeinen, um die Prozessautomatisierung, (natürlich) um den Prozessgesteuerten Ansatz und um die Frage, wie die Prozessautomatisierung wohl am besten zu bewerkstelligen sei. Abgerundet wird die Folge mit meiner Einschätzung zu Process Mining und den durchaus negativen Auswirkungen der Prozessautomatisierung auf die Belegschaft eines Unternehmens. Abrufbar ist diese Folge mit dem Titel „Geschäftsprozesse: What’s Next?“ auf den Plattformen von Spotify und PodBean unter folgenden Links:

Spotify: https://open.spotify.com/episode/65BMjPNjUSgKC6AVAI60d6?si=QY5s5JqmTpGR9tXKjYRufw&dl_branch=1

PodBean: https://windig.podbean.com/e/windig_-11-geschaftsprozesse-whats-next/

Ich wünsche viel Spaß beim Anhören!

Process Mining und kein Ende

Das Thema „Process Mining“ (PM) lässt mich einfach nicht los, wie schon mein kritischer Artikel über diese Technologie gezeigt hat und der eine Vielzahl positiver Reaktionen hervorrief. Der Anlass meines heutigen Blog-Beitrags ist die Veröffentlichung eines Handelsblatt-Podcasts. Unter der Überschrift Celonis-Chef Nominacher: „Es geht darum, aus Datenmengen Sinn zu machen“ wird Celonis-Mitbegründer Bastian Nominacher zu den Werdegang seines Unternehmens und dessen Produkte befragt (Podcast auf Spotify anhören). Grundsätzlich freue ich mich natürlich über die positive Entwicklung eines deutschen Unternehmens, das auch im internationalen Wettbewerb Erfolge feiern kann. Dieser Siegeszug sei dem Münchener Unternehmen von ganzen Herzen gegönnt.

Allerdings störe ich mich nach wie vor an der Process Mining-Werbung von den Unternehmen, die Process Mining im Allgemeinen und die Software von Celonis im Speziellen einsetzen. Mein Kritikpunkt setzt bei den euphorischen Hurra-Meldungen an, die diese Unternehmen in schöner Regelmäßigkeit veröffentlichen. Es geht immer darum, wie erfolgreich sie ihre Prozesse aufgrund des Einsatzes von Process Mining-Software verbessern konnten. Was mich daran konkret stört, möchte ich an einer Aussage von Bastian Nominacher aus dem angesprochenen Podcast verdeutlichen. Ich beziehe mich hier auf Minute 11:02 des Podcasts, in der Bastian Nominacher die Funktionsweise von Process Mining kurz erläutert (bis Minute 11:33). Er sagt:

„Jeder dieser Schritte passiert IT-Systeme und dort entstehen diese Spuren. Und es ist genau das, was wir eigentlich nutzbar machen bei uns bei Celonis: Diese Masse von Daten, das sind sogenannte Zeitstempel oder Timestamps, für die Unternehmen erst mal sichtbar zu machen: Wie wird eigentlich gearbeitet? Und da gibt es oft ganz große Überraschungen und da natürlich auch basierend darauf Vorschläge zu machen, wie kann ich meine Prozesse besser aufsetzen, wie kann ich effizienter arbeiten, wie kann ich vermeiden, dass Mitarbeiter unnötige Mehrarbeiten haben oder dass einfach Kunden zu spät beliefert werden.“

An dieser kurzen Sequenz stören mich konkret drei Punkte:

  1. Es kann von Process Mining-Software nur das an Prozessschritten visualisiert werden, wozu es auch entsprechende Einträge mit Zeitstempeln in den beteiligten Systemen gibt. Aber es wird in den Systemen beileibe nicht alles mitprotokolliert. Hier tappen Nutzer von Process Mining-Software nach wie vor im Dunkeln. Was da wohl noch für Überraschungen lauern?
  2. Die „großen Überraschungen“, von denen Bastian Nominacher spricht: Ich finde diese Aussage erschreckend und macht mich sprachlos – ich kann es nicht oft genug wiederholen, weil die Aussage für mich so unfassbar ist. Sie bedeutet auf den Punkt gebracht, dass derartige Unternehmen ihr Geschäft schlicht und einfach nicht im Griff haben. Es darf doch in den Kernprozessen eines Unternehmens keine Überraschungen geben! Als verantwortlicher Manager muss ich „meinen Laden“ doch kennen und wissen, was wann wo abläuft. Ich kann nur überrascht werden, wenn ich keinen Durchblick habe. Wie gesagt, ich spreche hier nicht von irgendwelchen unbedeutenden Prozessen, sondern von denen, in denen sich das Unternehmen von der Konkurrenz unterscheiden möchte und bei denen es sich Wettbewerbsvorteile erarbeiten könnte. Der Einsatz von PM-Software und das Marketing dafür sendet also eine höchst zweifelhafte „Werbebotschaft“ an den Markt. Würden Sie einem solchen Unternehmen vertrauen? Warum diese Unternehmen dennoch massenhaft und völlig ungeniert für beispielsweise Celonis werben, ist mir ein völliges Rätsel.
  3. Die Celonis-Software bietet Vorschläge zur Verbesserung der erkannten Schwachpunkte an. Das ist sicherlich ein nettes Feature, adressiert am Ende des Tages aber „nur“ die evolutionäre Innovation, nicht aber die für Unternehmen und für deren digitale Transformationen viel wichtigere disruptive Innovation (zur Unterscheidung und insbesondere die Bedeutung der beiden Innovationsarten, siehe meinen Artikel über das Innovator’s Dilemma). Es wird bei den betroffenen Prozessen mehr oder weniger punktuell optimiert. Das ist für ein Unternehmen, dass sich den Herausforderungen der digitalen Transformation stellen muss, eindeutig zu wenig!

Wie ich in meinem Artikel zu Process Mining schon schrieb, verfolge ich mit dem Prozessgesteuerten Ansatz hingegen ein ganz anderes Ziel, nämlich Process Mining-Software gänzlich überflüssig werden zu lassen. Denn explizit auf BPMN-Basis modellierte und ausgeführte Prozesse brauchen kein Process Mining.

Außerdem werden durch derartige explizite Modelle auch wirklich sämtliche Prozessdetails aufgedeckt, wovon Process Mining, wie unter Punkt 1 erläutert, nur träumen kann. Da bleibt keine Lücke unentdeckt.

Last but not least steht der Prozessgesteuerte Ansatz für die effiziente Implementierung nicht nur von evolutionären, sondern eben auch von disruptiven Innovationen. Er bietet Unternehmen also einen ganzheitlicheren Lösungsansatz, als dies Process Mining jemals leisten könnte.

Sämtliche Kritikpunkte werden durch den Prozessgesteuerten Ansatz also entschärft. Worauf warten Sie also noch?

HPI-Kurs zu Process Mining

In meinem Artikel zu Process Mining bin ich ja recht kritisch mit der Thematik ins Gericht gegangen. Nichtsdestotrotz ist es natürlich ein sehr spannendes Thema, das selbstverständlich (noch 😉) seine Berechtigung hat. Daher möchte ich in meinem heutigen Blog auf einen sehr guten Online-Kurs des Hasso-Plattner-Instituts zum Thema Process Mining hinweisen. Unter diesem Link finden Sie weitere Informationen zu dem englischsprachigen Kurs, der unter dem Titel A Step-by-Step Introduction to Process Mining angeboten wird.

In dem zweiwöchigen Kurs werden die drei Disziplinen des Process Minings (Process Discovery, Process Enhancement, Conformance Checking) sehr detailliert und anhand eines durchgängigen Beispiels (Schadensbearbeitungsprozess) eingängig erläutert.

In der ersten Woche stehen die Grundlagen des Process Minings im Mittelpunkt: Was ist Process Mining überhaupt? Auf welchen Daten arbeitet Process Mining? Wie werden aus Daten Ereignisse und was hat es mit den Event Logs auf sich? Wie funktioniert das Process Discovery und wie können die während des Process Discovery-Vorgangs hergeleiteten Prozessabläufe weiter verbessert werden (Process Enhancement)?

Die erste Woche wird von Prof. Dr. Mathias Weske vom Hasso-Plattner-Institut Potsdam gehalten.

In der zweiten Woche steht das Conformance Checking im Mittelpunkt. Es werden u.a. folgende Fragestellungen adressiert:

  • Welche Qualitätsmetriken gibt es und wie können sie auf die entdeckten Prozesse angewandt werden?
  • Wie wird Conformance Checking durchgeführt?
  • Was wird durch Conformance Checking letztendlich erreicht?

Darüber hinaus werden auch Themen wie Decision Mining (wie kann ich auf Basis des vorhanden Event Logs Entscheidungen extrahieren) und Time Predictions (wie kann ich auf Basis der Event Logs Vorhersagen über die Zeitverläufe noch nicht beendeter Prozessinstanzen treffen) diskutiert, die man so nicht in jedem Kurs zu Process Mining findet. Abgerundet wird die Woche mit praktischen Aspekten des Conformance Checkings und wie Tools einen automatisierten Abgleich zwischen Soll- und Ist-Abläufen ermöglichen.

Für die zweite Woche ist Prof. Dr. Henrik Leopold von der Kühne Logistics University Hamburg zuständig.

Alles in allem ein sehr lohnenswerter Kurs, der in der gegebenen Zeit grundlegendes Wissen rund um Process Mining vermittelt!

Process Mining und der Prozessgesteuerte Ansatz

Schaut man sich den Kurs etwas genauer an, so wird auch sehr schön deutlich, warum der Einsatz des Prozessgesteuerte Ansatzes zu einer reduzierten Bedeutung von Process Mining führt, so wie ich es in meinem Process Mining-Artikel ausgeführt hatte. Ich beziehe mich hierbei auf Video 1.8 der ersten Woche, in dem es um Process Enhancement geht. Ab Minute 16:13 des Videos wird die Lektion zu Process Enhancement zusammengefasst. Das Beispiel des Schadensbearbeitungsprozesses wurde im Laufe der Lektion auf Basis eines BPMN-Modells kontinuierlich verbessert (genau das macht ja das Process Enhancement aus). Natürlich werden die Prozessverbesserungen auch in den realen Prozessen eingebracht (also implementiert), wobei allerdings nicht genannt wird, wie die Implementierung konkret erfolgte. Jedenfalls zeigten sich bei der anschließenden Überprüfung des neu implementierten Prozesses Abweichungen zwischen dem ursprünglich angestrebten Soll-Prozess und dem real ausgeführten Ist-Prozess.

Als aufmerksamer Zuschauer fragt man sich natürlich schon, wie so etwas überhaupt passieren kann, zumal ja ein BPMN-Modell die Grundlage für die Modellierung der Prozessverbesserungen war. Warum nimmt man nicht dieses BPMN-Modell und bringt es nach den Regeln des Prozessgesteuerten Ansatzes so wie geplant zur Ausführung?

Denn genau das wird durch den Einsatz des Prozessgesteuerten Ansatzes vermieden: Die Abweichungen zwischen Soll- und Ist-Abläufen!

Es ist an dieser Stelle des Kurses wirklich schade, dass auf diese Option einer möglichen Prozessimplementierung nicht hingewiesen wurde. Denn es hätte verdeutlicht, wie sich ein Unternehmen Schritt für Schritt aus dem Schlamassel der undurchsichtigen Prozessverflechtungen hätte befreien können. So wurde wieder nur ein Prozess implementiert, der die Situation der undurchdringlichen Prozessabläufe verschlimmert hat, da die Umsetzung abermals neue Abweichungen mit sich brachte.

So aber kann unmöglich die Zukunft von Prozessimplementierungen aussehen!

Warum investieren Menschen in Unternehmen, die öffentlich zugeben, dass sie die für die Zukunft wichtige Digitalisierung nicht beherrschen?

Interessieren Sie sich für Börse und das Investment in Aktien? Dann können Sie mir vielleicht weiterhelfen, denn ich frage mich, warum Menschen in Unternehmen investieren, die öffentlich zugeben, dass sie die Digitalisierung nicht beherrschen? Wie ich darauf komme? Das ist relativ einfach und meine Argumentationskette sieht dabei wie folgt aus: An der Börse wird die Zukunft gehandelt, das dürfte unstrittig sein. Die Zukunft aller Unternehmen ist mit Sicherheit daran geknüpft, wie gut Unternehmen für die Digitalisierung gerüstet sind. Ein Kernaspekt der Digitalisierung ist jedoch, wie gut es Unternehmen gelingt, innovative digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln, um neue Märkte, neue Kundengruppen für sich zu gewinnen und um letztendlich Wachstum zu generieren. Was zeichnet also diese neuen digitalen Geschäftsmodelle konkret aus? Sie werden letztendlich durch innovative Prozesse umgesetzt. Die Fähigkeit, die richtigen Prozesse effizient umsetzen, betreiben und an Veränderungen anpassen zu können, wird zukünftig über das Überleben von Unternehmen entscheiden. Darüber habe ich auch auf meiner Webseite schon mehrfach geschrieben, zuletzt in diesem Artikel über das „Innovator’s Dilemma“ und dessen Lösung über den „Prozessgesteuerten Ansatz“.

Selbst klassische Produkthersteller werden nicht umhinkommen, neben hervorragenden Produkten zukünftig auch begleitende Dienstleistungen in Form von Prozessen umzusetzen. Von daher ist es sicherlich nicht zu gewagt zu sagen, dass ein Unternehmen genau dann gut für die Zukunft gerüstet und damit investitionswürdig ist, wenn es seine Prozesse beherrscht. Soweit, denke ich, spricht sicherlich nicht allzu viel gegen diese Argumentationskette.

Nun gibt es aber Unternehmen, die sich tatsächlich öffentlich dazu bekennen, dass sie diesen wichtigen Zukunftsaspekt (die Beherrschung ihrer Prozesse) schon heute nicht erfüllen. Woher soll ich als Investor also dann das Vertrauen nehmen, dass sich dies zukünftig ändern wird? Kurz: Warum sollte ich dann gerade in diese Unternehmen investieren?

Ich kann Ihnen darauf leider auch keine Antwort geben, genau deshalb richte ich meine Frage ja an Sie, weil derartige Investitionen trotz der Kenntnis über diese Unzulänglichkeiten tagtäglich durchgeführt werden!

Einen Punkt habe ich natürlich bewusst offen gelassen, Sie haben es sicherlich gemerkt. Wo geben Unternehmen denn bitteschön öffentlich zu, dass sie ihre Prozesse nicht beherrschen und warum machen sie das überhaupt? Ist es nicht höchst fragwürdig oder sogar geschäftsschädigend, wenn Unternehmen ein derartiges öffentliches Bekenntnis abgeben?

Ich kann Ihnen diesbezüglich nur Recht geben – auch ich verstehe es nicht. Aber dennoch tun sie es – unwissentlich. Sie verpacken diese „geheime Botschaft“ in Form von Erfolgsgeschichten! Der Schlüssel zum Verständnis meiner Schlussfolgerungen hängt mit dem Einsatz sogenannter Process Mining-Software zusammen. Überspitzt ausgedrückt wird Process Mining von Unternehmen genau dann eingesetzt, wenn sie die Kontrolle über ihre Prozesse verloren haben und letztendlich nicht mehr durchblicken. Process Mining kann dann Licht ins Dunkel bringen, indem die Abläufe grafisch aufbereitet werden.

Sie glauben mir nicht? Dann machen wir es konkret: Ich greife dabei auf Siemens als Beispiel zurück. Siemens hat auf der Kundenseite von Celonis, einem der führenden Hersteller von Process Mining-Software, eine solch vermeintliche „Erfolgsgeschichte (Success Story)“ veröffentlicht. Dort heißt es ziemlich unzweideutig: „Bei einer nahezu unendlichen Anzahl von Geschäftsvorgängen sind die Prozesse in einem Unternehmen wie Siemens hochkomplex und wenig transparent.“ Später heißt es dann: „Die Verantwortlichen müssen die Optimierung bewerten, indem sie Transparenz nutzen, die Process Mining geschaffen hat.

Was hier in Marketing-Worten so schön mit „nicht vorhandener Transparenz“ verklausuliert wird, bedeutet letztendlich nichts anderes als Kontrollverlust. Siemens versteht also ihre eigene Prozesswelt und damit eigentlich auch ihr Geschäft nicht so richtig. Eine für mich zumindest mehr als fragwürdige Außendarstellung eines Unternehmens und ich frage mich natürlich auch, warum Unternehmen so etwas tun? Siemens ist ja weiß Gott nicht das einzige Unternehmen, das sich derart zur Schau stellt. Sie können sich einen x-beliebigen Hersteller von Process Mining-Software herausgreifen und sich auf deren Webseite nach Kundenreferenzen umsehen. Sie werden staunen, was sich da so alles entdecken lässt. Um bei Celonis zu bleiben, finden sich auf deren Webseite der Kundenreferenzen so illustre Unternehmen wie Vodafone, Lufthansa, Dell, Campari, MediaMarktSaturn, Deutsche Telekom, Uber, ABB, Zalando usw. usw. Wahrscheinlich liegt die Antwort auf die Frage nach dem „Warum“ in dem Glauben dieser Unternehmen, durch eine derartige Veröffentlichung ihre fortschrittliche Haltung zum Ausdruck bringen zu können. Doch das genaue Gegenteil ist der Fall: Sie machen deutlich, dass sie eine ganz entscheidende Fähigkeit für einen zukünftigen Erfolg in der Digitalisierung vermissen lassen: Die Beherrschung ihrer Prozesse!

Wir halten also fest:

  1. Der Einsatz von Process Mining zeigt die Unfähigkeit eines Unternehmens, sein Geschäft effizient zu führen und ist ein ernstzunehmendes Alarmsignal.
  2. Der Einsatz zeigt gleichzeitig, wie schlecht das Unternehmen für die digitale Zukunft gerüstet ist! Denn wenn es schon heute seine Prozesse nicht beherrscht, wie soll dies dann in der Zukunft gelingen, wenn ein effizientes Prozessmanagement für die Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle als essenzielle Kernkompetenz über das Überleben eines Unternehmens entscheiden wird?
  3. Last but not least zeigt der Process Mining-Einsatz auch, dass das Unternehmen lediglich an der evolutionären Innovation arbeitet und die für seine Zukunft viel wichtigere disruptive Innovation vernachlässigt (falsche Fokussierung).

Stattdessen sollten Unternehmen überlegen, wie sie den Einsatz von Process Mining vermeiden können! Das ist der Schlüssel für die Zukunft! Und wie das erreicht werden kann, habe ich ausführlich auf meiner Webseite erläutert. Wenn Sie mehr über dieses Thema erfahren wollen, empfehle ich Ihnen meine kritische Auseinandersetzung über den Einsatz von Process Mining in Unternehmen. In dem Artikel erfahren Sie auch, wie sich Unternehmen aus dieser gefährlichen Gemengelage befreien können.

Doch nun zurück zu meinem Ausgangspunkt: Nachdem Sie meine Argumentation gelesen und insbesondere obige drei Punkte berücksichtigt haben, können Sie mir jetzt erklären, warum die Tatsache der ungenügenden Vorbereitung der Unternehmen auf die digitale Zukunft bei Investitionen keine Rolle zu spielen scheint?

Process Mining und der „Prozessgesteuerte Ansatz“

In der aktuellen Ausgabe des Magazins €uro (€uro 06/20, S. 16-19) findet sich ein interessanter Artikel überschrieben mit dem Titel „Digitale Krisenhelfer“ über den Einsatz digitaler Lösungen zur Bewältigung der Corona-Pandemie. Darin wird u.a. auch das Thema Process Mining aufgegriffen. Process Mining erlaubt die Rekonstruktion von Prozessen aufgrund digitaler Spuren, die während der Prozessausführung entstehen, wie z.B. der Anlagezeitpunkt eines Auftrags, der Korrekturzeitpunkt eines Auftrags, der Produktionszeitpunkt eines Artikels zu diesem Auftrag, der Auslieferungszeitpunkt des Artikels an den Kunden usw.). Auf Basis dieser Zeitpunkte, die in unterschiedlichsten Systemen entstehen und mitprotokolliert werden, kann eine Process Mining-Software durch Zusammentragen und zeitlicher Sortierung eine Ausführungsreihenfolge ermitteln und diese im Anschluss grafisch darstellen, idealerweise in Form eines Prozessmodells.

Natürlich ist in dem Artikel mal wieder von der Bedeutung effizient ablaufender Prozesse und der Forderung nach mehr Transparenz die Rede. Process Mining wird einmal mehr als Heilsbringer des Prozessmanagements dargestellt, da durch den Einsatz von Process Mining Schwachstellen in Unternehmensabläufen sichtbar gemacht und entsprechende Optimierungen durchgeführt werden können.

Zunächst einmal ist es grundsätzlich richtig: Process Mining-Software kann Unzulänglichkeiten in Abläufen aufdecken. Sie liefert (allerdings mit Einschränkungen, wie noch zu sehen sein wird) die geforderte Transparenz. Dafür wurde sie ja letztendlich auch entwickelt.

ABER: Unternehmen, die zu solchen Lösungen greifen, senden eine fatale Nachricht nach außen, denn sie geben unterschwellig zu, dass sie keine Ahnung darüber haben, was in ihrem Unternehmen eigentlich abläuft. Das ist doch eigentlich ein Skandal! In den Unternehmen werden Millionen in Software zur Abwicklung des Geschäfts investiert, um dann weitere Millionen in Process Mining-Software zu stecken, nur um zu sehen, was die Software zur Geschäftsabwicklung eigentlich macht und wie im Unternehmen gearbeitet wird.

Aber nicht genug damit: Im Artikel werden diese Unternehmen auch noch als Vorbilder für die Digitalisierung angeführt. Genannt werden beispielsweise AkzoNobel, BMW, Cisco, Lufthansa, Siemens, Uber und ABB (S. 17). Muss man das verstehen? Ich würde mich als Verantwortlicher dieser Unternehmen jedenfalls schämen, bedeutet dies doch, dass ich „meinen Laden“ nicht im Griff habe!

Process Mining wurde also nur deshalb hoffähig, weil Unternehmen nicht mehr nachvollziehen können, wie ihre Prozesse letztendlich ablaufen. Dies wird u.a. durch die Historie der entwickelten und gekauften Lösungen, aber auch über die Art und Weise, wie die Prozesse letztendlich umgesetzt wurden, gefördert. Denn schlussendlich verlieren sich die Prozesse in der programmierten Software, sie sind für externe Teilnehmer nicht sichtbar. Und Programme zur Prozessausführung, so gut sie auch programmiert sein mögen, visualisieren nun mal keine Prozessabläufe. Dazu braucht es dann spezielle Software, um die Abläufe im Anschluss sichtbar zu machen. Eben Process Mining-Software.

Meine grundsätzliche Kritik an Process Mining ändert auch dieser Artikel natürlich nicht, denn am Ende des Tages trägt Process Mining Software lediglich zum Erkenntnisgewinn bei. Ähnlich wie ich dies bereits in meinem Artikel zur Motivation des „Prozessgesteuerten Ansatzes“ für die künstliche Intelligenz ausgeführt habe, muss dem Erkenntnisgewinn eine entsprechende Handlung folgen, z.B. durch Anpassung der Prozesse an neue Gegebenheiten, umbeispielsweise die Produktivität zu steigern. Dazu liefert Process Mining jedoch keinerlei Beitrag. Wahrscheinlich wird zur Lösung der aufgedeckten Unzulänglichkeiten wieder nur „rumprogrammiert“, um damit die Komplexität (und damit Unübersichtlichkeit) nur noch weiter zu steigern. Es wird also an den Symptomen herumgedoktert, statt das Übel an der Wurzel zu packen!

Ein weiteres Problem: Process Mining kann nur das visualisieren, was zuvor auch mitprotokolliert wurde, denn nur auf Basis existierender digitaler Spuren ist eine Rekonstruktion umsetzbar. Es wird aber nun mal nicht alles mitprotokolliert. Folglich bleiben noch viele Bereiche im Dunkeln und resultieren in einem unvollständigen Gesamtbild!

Zur Lösung bietet sich auch hier der „Prozessgesteuerte Ansatz“ an. Er löst alle genannten Probleme: Unternehmen erhalten effiziente Prozesse und dabei gleichzeitig die so dringend benötigte Transparenz. Denn diese ist durch ausführbare Prozessmodelle sofort gegeben! Die Vollständigkeit der Informationen wird durch die explizite Modellierung jedes einzelnen Prozessschrittes gewährleistet und ist somit qualitativ hochwertiger als die durch Process Mining-Software ermittelten Daten. Wären also Anwendungen nach dem „Prozessgesteuerten Ansatz“ entwickelt worden, gäbe es überhaupt keine Notwendigkeit für Process Mining-Lösungen! Von daher können Hersteller von Process Mining-Software nur hoffen, dass sich der „Prozessgesteuerte Ansatz“ nicht zu schnell durchsetzt. 😉