The Innovator’s Dilemma und der „Prozessgesteuerte Ansatz“

Manche Bücher kann man nicht oft genug lesen. Eines dieser inspirierenden Bücher ist „The Innovator’s Dilemma – Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende Innovationen verlieren“ von Clayton M. Christensen [1]. Neben der Einführung der verschiedenen Arten von Innovation (evolutionäre und disruptive Innovation), so wie ich sie auch schon in meinem Motivations-Artikel zum „Prozessgesteuerten Ansatz“ verwendet habe, legt Christensen dar, wie erfolgsverwöhnte Unternehmen, die managementseitig alles vollkommen richtig machen, bei disruptiven Veränderungen trotz allem oftmals keine Chance gegen die Disruptoren haben. Ich möchte an dieser Stelle nicht auf alle Details eingehen, warum dies der Fall ist. Das können Sie viel besser in besagtem Buch nachlesen. Es lohnt sich in jedem Fall.

Stattdessen möchte ich viel mehr auf ein ganz bestimmtes Kapitel des Buches eingehen, das meiner Meinung nach von jedem Manager gelesen werden sollte. In Kapitel 8 kommt Christensen nämlich auf den Einklang der Begriffe Ressourcen, Prozesse und Werte zu sprechen (S. 183-211). Laut Christensen bestimmen Ressourcen (also Mitarbeiter, Anlagen, Technologien, finanzielle Mittel, S. 184), Prozesse (Interaktion, Koordination, Kommunikation, Entscheidungsfindung, S. 185) und Werte (Kriterien, die Entscheidungen und Prioritäten beeinflussen, S. 186), was ein Unternehmen tun oder auch nicht tun kann (S. 184). Anhand des Ressourcen-Prozesse-Werte-Modells erklärt Christensen eine wesentliche Ursache für das Scheitern etablierter Unternehmen bei disruptiven Innovationen: es sind die Prozesse und Werte!

Verdeutlicht wird dies anhand einer beeindruckenden Studie über die Entwicklung von Computerlaufwerken (S. 188). In dieser Studie wurden 116 neue Technologien analysiert. 111 Technologien gehören der Kategorie „evolutionär“ an, während die restlichen 5 Technologien der Kategorie „disruptiv“ zuzuordnen sind. Und nun das erstaunliche Ergebnis:

  • S. 188: „In allen 111 Fällen der evolutionären technologischen Innovationen waren die anführenden Unternehmen gleichzeitig auch diejenigen, die vorher schon die Branche anführten. Die Erfolgsrate der etablierten Unternehmen in der Entwicklung und Einführung von evolutionären Technologien war 100 Prozent.“
  • Nun zu den disruptiven Innovationen (S. 189): „[Es schaffte] kein einziges der in der Branche führenden Unternehmen nach der Einführung einer disruptiven Technologie an der Spitze zu bleiben. Die Erfolgsquote war gleich Null.“
  • Resümee (S. 189): „Die führenden Hersteller von Computerlaufwerken hatten alle Ressourcen – Mitarbeiter, Geld und Technologien –, um mit evolutionären und disruptiven Innovationen erfolgreich zu sein. Aber die Prozesse und Werte waren die größten Hindernisse.“ Dazu seine naheliegende Schlussfolgerung (S. 196): „Nicht in den Ressourcen, sondern in den Prozessen und Werten liegen die fundamentalen Fähigkeiten eines Unternehmens.“

Die Begründung dafür ist einleuchtend: Disruptive Innovationen adressieren in der Regel neue Märkte mit neuen Werten und entsprechend neuen Prozessen. Die in den führenden Unternehmen etablierten Prozesse passten wunderbar zu den jeweils existierenden und nur evolutionär weiterentwickelten Produkten und Dienstleistungen. Doch Disruptionen verlangen aufgrund des neuen Marktes, die diese Lösungen adressieren, auch fundamental andere Prozesse – und genau daran scheitern die etablierten Unternehmen. Sie können sich dem Wandel nicht in adäquater Geschwindigkeit anpassen. Einmal mehr unterstreicht diese Analyse die enorme Bedeutung von Prozessen und – offensichtlich noch wesentlich bedeutender – deren schnelle Erstellung bzw. Anpassbarkeit an gänzlich neue Marktgegebenheiten. Viele Unternehmen sind dazu augenscheinlich nicht in der Lage. Allerdings liegt heute mit dem „Prozessgesteuerten Ansatz“ eine Methodik vor, die genau diese Unzulänglichkeiten adressiert und löst!

Christensen belegt seine These mit weiteren eindrucksvollen Beispielen: So gelang es DEC (Digital Equipment Corporation) nicht, nach dem Erfolg im Minicomputer-Markt auch im PC-Markt Fuß zu fassen (S. 191-193). Die Prozesse, die für den Minicomputer-Markt über Jahre entwickelt und optimiert wurden, passten einfach nicht mehr zur PC-Produktion.

Oder die Entwicklung von MP3 (S. 202-210): „Das gesamte Kauf- und Konsumverhalten wurde revolutioniert.“ (S. 206): Prozesse zum Verkauf von Tonträgern wie Kassetten, Schallplatten oder CDs passten nicht mehr zum Download und Streamen von Audio-Inhalten. Ähnliches gilt für die Filmbranche (das Ende der Videotheken liegt noch nicht allzu lange zurück), für die digitale Fotografie oder ganz aktuell für die Automobilindustrie, die gleich eine ganze Reihe an Disruptionen zu verkraften hat (neben der Elektromobilität und dem autonomen Fahren der Wandel vom Autoverkauf zum Mobilitätsdienstleister).

Christensen empfiehlt etablierten Unternehmen, gar nicht erst zu versuchen, Disruptionen in der bestehenden Organisation zu adressieren, sondern stattdessen neue autonome Organisationseinheiten aufzubauen, damit sich dort eigene Prozesse und Werte losgelöst vom Mutterkonzern und passend zur disruptiven Herausforderung entwickeln können (S. 210).

Sein Fazit (S. 211): „Stehen Unternehmen vor einem strategischen Wandel, müssen Führungskräfte zunächst sicherstellen, dass sie über die für den Wandel nötigen Ressourcen verfügen. Danach gilt es, eine zweite Frage zu beantworten: Hat das Unternehmen die erforderlichen Prozesse und Werte? Die Bedeutung dieser zweiten Frage ist den meisten Managern nicht bewusst, denn in aller Regel haben ja die bisherigen Prozesse und Werte im Unternehmen gut funktioniert.“

Diese Feststellung ist für Unternehmen tatsächlich eine große Herausforderung, denn vordergründig scheinen sie ja alles richtig zu machen. Es läuft doch alles wunderbar, das Geschäft brummt – so what? Warum also Veränderungen durchführen? Die Antwort liegt in den bei einer Disruption entstehenden neuen Märkten und Werten, zu denen die existierenden Prozesse nicht mehr passen. Es ist für Unternehmen also extrem wichtig, die eigenen Prozesse im Detail zu kennen. Auch wenn sich für manche Branchen derzeit keine Disruptionen erkennen lassen, sind Unternehmen generell gut beraten, sich um ihre Prozesse zu kümmern, sie in Modellen zu erfassen und sie ständig zu hinterfragen. Auf diese Weise können sie sich zumindest prozessseitig für die Zukunft wappnen!

Christensen empfiehlt gegen Ende von Kapitel 8 (S. 211): „Eine sorgfältige Beantwortung der folgenden kritischen Fragen wird sich für jede Führungskraft bezahlt machen: Sind die Prozesse unseres Geschäftsmodells auch tatsächlich für die neue Herausforderung geeignet? Priorisieren die Werte des Unternehmens die disruptiven Innovationen oder verleiten sie eher dazu, das Projekt zu ignorieren bzw. nicht ernst genug zu nehmen?“

Zur Beantwortung dieser Fragen ist selbstverständlich die Kenntnis der eigenen Prozesse eine wichtige Voraussetzung. Sollte dies in Ihrem Unternehmen noch nicht der Fall sein, so begeben Sie sich an die Arbeit. Der „Prozessgesteuerte Ansatz“ unterstützt Sie dabei!

[1] Christensen, Clayton M.: The Innovator’s Dilemma – Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende Innovationen verlieren. München: Verlag Franz Vahlen, 2013, ISBN-13: 978-3800637911

Ankündigung: Online-Seminar zum „Prozessgesteuerten Ansatz“

Am 09.09.2020 um 10:00 Uhr findet ein Online-Seminar zum „Prozessgesteuerten Ansatz“ für den Mittelstand statt. Veranstaltet wird das Online-Seminar vom „Bundesverband mittelständische Wirtschaft Unternehmerverband Deutschlands e.V.“ (BVMW). Der Titel meines Vortrags lautet: „Innovative digitale Geschäftsmodelle im Mittelstand – Mit dem prozessgesteuerten Ansatz zu mehr Effizienz, Transparenz und Flexibilität„.

Anmeldung über die Webseite des BVMW unter https://www.bvmw.de/event/10414/innovative-digitale-geschaeftsmodelle-im-mittelstand/

Corona-Panne in Bayern – Mit dem „Prozessgesteuerten Ansatz“ wäre das vielleicht nicht passiert!

Liebe Leser,

ich weiß nicht, wie schnell Sie morgens wach werden. Bei mir ging es heute Morgen (13.08.2020, 6:00 Uhr) jedenfalls ganz schnell, denn eine Nachricht weckte sofort mein Interesse. Es ging in der Meldung um die Corona-Panne in Bayern, die ja mittlerweile große Kreise zieht, und der Begründung, wie es dazu kommen konnte. Doch zunächst ein Zitat eines Artikels auf der Online-Plattform des Bayerischen Rundfunks versehen mit dem Titel „Corona-Test-Panne: Kritik an Staatsregierung wächst“ zur eigentlichen Panne. Was war passiert?

„Die Staatsregierung hatte am Mittwoch eingestehen müssen, dass die Verzögerungen bei der Übermittlung von Corona-Testergebnissen in Bayern deutlich dramatischere Ausmaße haben als bisher bekannt: 44.000 Reiserückkehrer, die im Ausland im Urlaub waren, warteten nach Tests an bayerischen Autobahnen noch auf ihre Ergebnisse, darunter auch 900 nachweislich positiv getestete.“

Soweit in Kürze das Problem. Interessant an der Meldung heute Morgen war jedoch, wie diese Panne mal wieder begründet wurde. Auch dazu ein Zitat aus einem anderen Artikel auf der BR-Plattform, diesmal veröffentlicht unter dem Titel „‘In negatives Licht gerückt‘: BRK übt Kritik nach Test-Panne“.

„Da das LGL [Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit – Anmerkung des Autors] sich nicht in der Lage gesehen hat, in dieser kurzen Zeit eine entsprechende Software zur Verfügung zu stellen, mussten die Reisenden händisch mit Formularen erfasst werden. Diese Formulare wurden vom LGL zur Verfügung gestellt.“

Als ich diese Zeilen also heute Morgen hörte, konnte ich mir ein ungläubiges Kopfschütteln nicht verkneifen. Ja, sie machten mich regelrecht wütend! Jetzt ist also mal wieder die Software schuld und wieder einmal konnte sie nicht rechtzeitig bereitgestellt werden. Unfassbar!

Interessant dazu auch die Äußerungen der bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml in den gestrigen Tagesthemen, die mit der Aussage „Diese Dimension war mir nicht bekannt“ zitiert wird. Unter anderem sagt Sie dort:

„Ein solch neuaufgelegter Prozess dauert eine Zeit, bis er sich einspielt.“

Es geht also genau um das Thema neuer Prozessimplementierungen, für das es mit dem „Prozessgesteuerten Ansatz“ eine elegante Lösung gibt. Wäre das Fiasko also mit dem „Prozessgesteuerten Ansatz“ zu verhindern gewesen? Das kann ich natürlich nicht mit Sicherheit sagen, da viel zu wenig über die Hintergründe bekannt ist. Es ist beispielsweise völlig unbekannt, von welchem Prozess genau die Rede ist. Ist es nur ein Prozess oder sind es mehrere Prozesse, die miteinander verzahnt sind? Wie läuft der Prozess konkret ab? Sind die Prozesse selbst falsch oder sind es nur die Implementierungen einzelner Schritte? Warum werden die Prozesse nicht transparent veröffentlicht (z.B. in Form von BPMN-Modellen) und erklärt, damit ggf. auch geholfen werden kann? Wie kann es sein, dass ständig von der Digitalisierung gesprochen wird, aber trotzdem wieder mit Papierformularen hantiert wird? Selbst da hätte es dem letzten Verantwortlichen klar sein müssen, dass der gewählte Ansatz bei diesen Massen an Tests nicht funktionieren kann. Ohne eine digitale Erfassung und Weiterverarbeitung in Form von digitalisierten Prozessen hätte die ganze Aktion niemals gestartet werden dürfen! Fragen über Fragen also. Ausbügeln dürfen das jetzt wieder unzählige fleißige Kräfte, die den Karren aus dem Dreck ziehen müssen!

Wie gesagt, ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, ob der „Prozessgesteuerte Ansatz“ geholfen hätte, so ehrlich muss ich sein. Wir wissen aber vom „Prozessgesteuerten Ansatz“, dass er genau für solche Situationen konzipiert wurde: Automatisierung von Abläufen jeglicher Art innerhalb kürzester Zeit. Ich vermute also, dass der „Prozessgesteuerte Ansatz“ zur Vermeidung dieses Chaos hätte beitragen können. Allerdings hat sich niemand an mich gewandt und um Unterstützung gebeten, obwohl ich der bayerischen Staatsregierung in Person des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder bereits am 20.04.2020 meine Hilfe zur Prozessautomatisierung angeboten habe!

Denn es war doch schon damals abzusehen, dass sich durch Corona eine Vielzahl von Prozessen ändern würde. Wo zuvor viel über persönlichen Kontakt lief, muss nun auf kontaktlos umgestellt werden. Und genau hier setzt auch meine Kritik an: Ich sage nicht, dass mit dem „Prozessgesteuerten Ansatz“ alles besser gelaufen wäre. Ich kann aber sagen, dass im Vorfeld nicht alles unternommen wurde, um dieses Fiasko zu vermeiden! Denn dann hätte man mir wenigstens mal das Wort gönnen können. So muss sich die bayerische Staatsregierung schon die Frage gefallen lassen, warum sie dem „Prozessgesteuerten Ansatz“ keine Chance gegeben hat, obwohl sie davon hätte wissen müssen? Natürlich schließt sich zwangsläufig die Folgefrage an, ob die jetzt im Einsatz befindlichen Kräfte nach dem „Prozessgesteuerten Ansatz“ vorgehen? Auf die Antwort wäre ich jedenfalls sehr gespannt!

Dennoch sollte zukünftig ein ähnliches Desaster vermieden werden. Von daher steht meine Türe selbstverständlich weiterhin offen, denn ich sehe es als meine Pflicht an, zu helfen und zu unterstützen. Und wenn der „Prozessgesteuerte Ansatz“ dazu beitragen kann, dann sehr gerne!