SAP verkündet generelle Verfügbarkeit von SAP Process Automation

In meinem Blog-Beitrag vom 22.10.2021 bin ich bereits auf interessante Entwicklungen im Prozessumfeld eingegangen: ServiceNow und Celonis hatten kurz zuvor Ihre Partnerschaft angekündigt und die offensichtliche Frage nach der Reaktion der SAP wird nun konkreter: SAP folgt der „Wir auch“-Strategie.

Was meine ich damit? In meinem damaligen Blog-Beitrag hatte ich neben der Kooperation von Process Mining-Anbietern mit Software-Lösungsanbietern auch den Trend hin zu No-Code-/Low-Code-Plattformen thematisiert. Was ich von derartigen Plattformen halte ist seit meinem Moral Hazard-Artikel kein Geheimnis mehr (Meine Devise lautet eher: Produktivitätssteigerung mit Verstand (z.B. PiDiArtify), nicht mit Tools).

Wie auch immer: Mit ihrer Ankündigung der generellen Verfügbarkeit von  SAP Process Automation vom 14.02.2022 offenbart die SAP ihre Antwort auf den offensichtlichen ServiceNow-Angriff: Wir machen das auch! Soll heißen, dass SAP nun ebenfalls mit No-Code wirbt und eine einfache, Nicht-BPMN-basierte Modellierungsumgebung für Prozesse zur Verfügung stellt. Damit setzt sie konsequent die während der SAP TechEd-Keynote vorgegebene Marschrichtung fort. In meinem Blog-Artikel vom 18.01.2022 hatte ich mich bereits kritisch mit dieser Präsentation und Strategie auseinandergesetzt.

In der Ankündigung von SAP Process Automation heißt es zudem unmissverständlich: „We recommend existing SAP Workflow Management or SAP Intelligent Robotic Process Automation customers to move to SAP Process Automation.“

Übersetzt: „Kunden, die bereits SAP Workflow Management oder SAP Intelligent Robotic Process Automation einsetzen, empfehlen wir den Wechsel zu SAP Process Automation.“

Dazu muss man wissen, dass SAP Workflow Management die auf BPMN-basierende Prozesslösung zur Modellierung von Abläufen ist. Für mich bedeutet diese Empfehlung eindeutig die Abkehr der SAP von BPMN. Diesen Schritt bedauere ich sehr!

Auf meine konkrete Nachfrage auf LinkedIn bekam ich seitens des Produktmanagements nur eine ausweichende Antwort: Ja, man kann weiterhin mit SAP Workflow Abläufe entwickeln und deployen. Aber auf meine erneut gestellte konkrete Frage, ob SAP Workflow auch weiterentwickelt werde und eine Zukunft hätte, kam keine Rückmeldung mehr. Für mich bedeutet dies: SAP springt auf den No-Code-/Low-Code-Zug auf und folgt damit einmal mehr einem dieser für die IT typischen Modetrends. Ich persönlich finde diese Entwicklung sehr bedenklich.

PiDiArtify – Die bessere Alternative zu aktuellen Trends in der Digitalisierung bzw. digitalen Transformation

Wer meine Blog-Beiträge und Artikel gelesen hat, weiß um meine Kritik an einigen aktuellen Entwicklungen in der Digitalisierung bzw. digitalen Transformation (zum Unterschied zwischen Digitalisierung und digitalen Transformation siehe meinen Artikel hier). Die Hauptkritikpunkte habe ich in meinem Moral Hazard-Artikel zusammengefasst. Und wenn man denkt, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, tritt genau das ein. Auslöser für diesen Blog-Beitrag und meiner Entscheidung, mich mit Entschiedenheit von einigen neuen Trends der Digitalisierung/digitalen Transformation zu distanzieren, war die Keynote von SAP CTO und Mitglied des Vorstands der SAP SE Jürgen Müller anlässlich der SAP TechEd 2021, die man sich hier auch nochmal in Ruhe ansehen kann.

Nun sind No-Code- bzw. Low-Code-Plattformen wahrlich nichts Neues. Doch die Meinung und Aussage von Hrn. Müller ab Minute 36:46 nach der Demo zu SAP‘s neuer No-Code-Plattform SAP AppGyver kann ich so weder teilen noch gutheißen. Ich zitiere wörtlich:

„Actually I hope that some of this can remove some of the inequality in the world we talked earlier about. Just think about it: SAP alone has more than 230 million end users of our cloud applications. And there are a lot more when you include our on-premise systems. And now imagine that we can show all those end users a path to becoming a citizen developer. I’m already looking forward to seeing someone, may be an hourly worker, and she or he extends an SAP-system, for example with SAP AppGyver. This can unlock a new order of magnitude of value creation: for that individual person, of course, but also for society as a whole. And that actually can help closing the skill gap we have, too.“

Frei übersetzt (mit Unterstützung von DeepL):

“Ich hoffe sogar, dass dadurch ein Teil der Ungleichheit in der Welt, über die wir vorhin gesprochen haben, beseitigt werden kann. Denken Sie einfach mal darüber nach: Allein bei SAP gibt es mehr als 230 Millionen Endnutzer unserer Cloud-Anwendungen. Und es sind noch viel mehr, wenn Sie unsere On-Premise-Systeme mit einbeziehen. Und nun stellen Sie sich vor, dass wir all diesen Endnutzern den Weg zum Citizen Developer zeigen können. Ich freue mich schon darauf, wenn ich jemanden sehe, vielleicht einen Stundenarbeiter, der ein SAP-System erweitert, zum Beispiel mit SAP AppGyver. Das kann eine neue Größenordnung der Wertschöpfung freisetzen: für die einzelne Person natürlich, aber auch für die Gesellschaft als Ganzes. Und das kann tatsächlich auch dazu beitragen, die Qualifikationslücke zu schließen, die wir haben.”

Genau das, was hier angedeutet wird, verstehe ich NICHT unter Digitalisierung und digitaler Transformation. Es ist für mich tatsächlich das genaue Gegenteil!

Konkret: Sollten die Endnutzer nun, wie vorgeschlagen, in wirklich signifikanter Zahl anfangen, Erweiterungen zu ihren geschäftskritischen Anwendungen zu bauen, so ist dies der wahrgewordene Albtraum jeder IT-Abteilung! Eine unüberschaubare Zahl von Kleinstanwendungen mit Zugriff auf hochkritische Backend-Systeme – unvorstellbar. Unzählige ungelöste Fragen in Bezug auf Sicherheit, Last, Performance, Stabilität, Wartbarkeit, Abhängigkeiten zwischen Systemen, usw.

Sicherlich ist es wünschenswert, die Fachexperten mehr in die Ausgestaltung der Geschäftsprozesse mit einzubinden, Agilität ist ebenfalls sehr wichtig, ABER: Dieser Ansatz dazu kann es nun wirklich nicht sein! Und dass damit die Qualifikationslücke geschlossen werden soll, halte ich für Wunschdenken. Im Gegenteil: Es werden mehr IT-Fachkräfte benötigt, um diesen Wildwuchs später kontrollieren zu können. Hier wird in den Unternehmen eine tickende Zeitbombe scharf geschaltet, die in der völligen IT-Handlungsunfähigkeit münden kann. Genau das können sich Unternehmen aktuell in der Digitalisierung bzw. digitalen Transformation nicht leisten!

Kritik muss immer sachlich sein und vor allem sollte man eine bessere Alternative anbieten können. Mein Gegenvorschlag liegt in einer qualitativ hochwertigen und nachhaltigen Umsetzung von fachlich-getriebenen Geschäftsinnovationen. Diesen Weg zur digitalen Selbstbestimmung und einer neuen Transformation habe ich mittlerweile in unzähligen Büchern, Artikeln, Blog-Beiträgen und auch Online-Seminaren veröffentlicht. Und damit jeder diese Methodik erkennen und zuordnen kann, haben wir ihr einen Namen gegeben: PiDiArtify!

Ich möchte an dieser Stelle auf die neu gegründete, zugehörige PiDiArtify-Initiative hinweisen, in der wir, neben meinen Artikeln und Blog-Beiträgen, über PiDiArtify berichten und unsere Vorstellungen dieser neuen Qualität erklären werden. “Wir” bedeutet in diesem Zusammenhang meine Partner und ich bei 730pm, unserem neu gegründeten Unternehmen mit einer klaren Mission: Hilfe zur Selbsthilfe bei der neuen digitalen Transformation mit PiDiArtify.

Wir suchen Gleichgesinnte, die sich mit den Zielen von PiDiArtify identifizieren können und die zugrundeliegenden Ideen für eine bessere und nachhaltigere digitale Transformation auch weiterverbreiten möchten. Das erste Treffen der Initiative findet online am 28.01.2022 um 15:30 Uhr statt. Zur Teilnahme genügt die Anmeldung zum Newsletter der Initiative unter https://www.pidiartify.de/newsletter/. Ich freue mich auf Ihre Mitarbeit!

SAP kauft Signavio

Diese Schlagzeile, die sich gestern (27.01.2021) wie ein Lauffeuer verbreitete (siehe z.B. entsprechende Veröffentlichungen auf den Online-Plattformen vom Manager Magazin, Handelsblatt, CIO oder Business Insider) kann natürlich nicht unkommentiert bleiben. Nachdem ich mich in einem meiner letzten Blogs kritisch zu SAP’s Zukunft geäußert hatte, freut mich diese Ankündigung natürlich umso mehr! Noch zu meiner SAP-Zeit habe ich mich stets für eine enge Zusammenarbeit mit Signavio und sogar für deren Kauf stark gemacht. Umso erfreulicher, dass nun Vollzug gemeldet werden kann. Allerdings waren meine Beweggründe für einen Kauf damals anders motiviert, denn zu der damaligen Zeit war deren BPMN-Modellierungstool einfach herausragend im Vergleich zu anderen Angeboten. Cloudbasiert, sehr intuitiv und einfach zu bedienen und natürlich, ganz wichtig, die vollständige Abdeckung der BPMN-Elemente. Auch heute noch setze ich den Process Manager bevorzugt in der Lehre ein. Ich hoffe, die kostenlose Bereitstellung des Tools für Universitäten und Hochschulen bleibt auch unter der SAP erhalten 😉

Den Presseberichten folgend, steht bei diesem Kauf jedoch ein anderer Beweggrund im Mittelpunkt: Process Mining und Geschäftsprozessoptimierung! Denn auch Signavio konnte der Process-Mining-Versuchung nicht widerstehen und etablierte die Signavio Business Transformation Suite (siehe Signavio-Homepage zur Business Transformation Suite), die sich voll und ganz auf die Optimierung von Geschäftsprozessen durch „Live Insights“ (also der Echtzeit-Anzeige von Unternehmensabläufen) konzentriert. Das ist natürlich ein herber Schlag für Celonis, mit denen SAP bisher im Bereich Process Mining kooperierte. Nach meinem Artikel über Process Mining kennen Sie meine kritische Haltung zu diesem Thema. Dennoch lässt sich natürlich kurz- und mittelfristig darauf ein lukratives Geschäft aufbauen. Genau das, was SAP jetzt benötigt.

Ich jedenfalls freue mich für die SAP und das Team um Signavio-Chef Gero Decker. Jetzt fehlt der SAP eigentlich nur noch eine vernünftige Process Engine, um die mit Signavio modellierten BPMN-Modelle zur Ausführung zu bringen. Aber auch hier gibt es interessante Übernahmekandidaten. Ich hätte da ein paar Vorschläge… 😉

Deffner & Zschäpitz kommentieren meinen SAP-Blog

Ich möchte mich einmal ganz herzlich bei meinen Leserinnen und Lesern bedanken! Die vielen positiven Reaktionen zu meinem letzten Blog über den Kurseinbruch bei SAP sowie zu meiner Analyse über die Parallelen von SAP mit Unternehmen, die disruptive Innovationen nicht überlebten, haben mich dann doch sehr überrascht – vielen Dank also für die vielen Zuschriften und Likes 🙂

Ein für mich besonderes Highlight war natürlich der letzte Podcast der beiden WELT-Journalisten Dietmar Deffner und Holger Zschäpitz vom 03.11.2020. Ab Minute 15:08 gehen Sie auf meine Analyse ein. Wenn Sie wissen wollen, was die beiden Wirtschaftsprofis in ihrer unnachahmlichen Art zu diesem Thema zu sagen haben, dann hören Sie doch einfach mal hier in den Podcast rein. Es lohnt sich 😉