Weg aus dem „Innovator’s Dilemma“: Der „Prozessgesteuerte Ansatz“

Am 26.11.2020 hatte ich das Vergnügen, im BPM-Arbeitskreis der „Deutschsprachigen SAP Anwendergruppe“ (DSAG AK BPM) über das „Innovator’s Dilemma“ zu sprechen. Dabei bot sich gleichzeitig die Gelegenheit, die digitale Transformation als branchenübergreifende Disruption zu erläutern und den „Prozessgesteuerten Ansatz“ als einen möglichen Ausweg aus dem Dilemma zu diskutieren. Aufgrund des positiven Feedbacks habe ich mich dazu entschlossen, eine Abschrift des Vortrages (mit leichten Anpassungen) hier zu veröffentlichen. Ich wünsche Ihnen nun viel Spaß bei der Lektüre!

Einführung in das „Innovator’s Dilemma“

Vielleicht kennen Sie das: Es gibt so Bücher, die kann man immer und immer wieder lesen, weil sie  sehr inspirierend sind und man auch beim wiederholten Lesen immer noch etwas Neues entdeckt. Eines dieser Bücher ist das Meisterwerk von Clayton M. Christensen mit dem Titel (im Original): The Innovator’s Dilemma: When New Technologies Cause Great Firms to Fail (Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende Innovationen verlieren).
ISBN der englischen Ausgabe: 978-1633691780
ISBN der deutschen Ausgabe: 978-3800637911

Abbildung 1: „The Innovator’s Dilemma“ von Clayton M. Christensen (hier Titelseite der deutschen Ausgabe)

Hinweis: Die in dem folgenden Text angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die deutsche Ausgabe.

Es ist von daher ein faszinierendes Buch, da Christensen anhand zahlreicher Beispiele verdeutlicht, warum es vielen etablierten Unternehmen einfach nicht gelingt, bei bestimmten Innovationen im Wettbewerb zu bestehen und letztendlich scheitern.

Dabei hat er die Beispiele nicht einfach nur dokumentiert, nein, er hat sie tiefgreifend analysiert und nach dem Grund dieses Versagens geforscht. Er hat dabei Muster erkannt, die sich in den jeweiligen Fällen ständig wiederholten. Und diese Muster hängen eng mit den Begriffen „evolutionäre“ und „disruptive“ Technologien zusammen.

Wo liegt also der Unterschied? Schauen wir uns an, wie Christensen diese beiden Begriffe definiert (S. 6-8):

  • Evolutionäre Technologien steigern die Leistungsfähigkeit vorhandener Produkte (hier bewegen sich primär die etablierten Unternehmen)
  • Disruptive Technologien führen zunächst zu neuen, jedoch vergleichsweise schlechteren Produkten, die aber einen anderen Kundennutzen ansprechen. Es entsteht ein neuer Markt mit neuen Geschäftsmodellen (in diesem Bereich finden wir primär die Disruptoren)

Dabei kämpfen etablierte Unternehmen mit dem folgenden Problem: Im Bestreben, bessere Produkte als ihre Wettbewerber zu entwickeln und damit immer höhere Margen zu erzielen, schießen Unternehmen über das Ziel hinaus (Overengineering). Sie bieten ihren Kunden mehr als sie brauchen und auch mehr, als sie dafür zu zahlen bereit sind. Genau das schafft Raum für disruptive Technologien!

Wir können also ein typisches Muster festhalten: Während etablierten Unternehmen mehr oder weniger mit sich selbst beschäftigt sind (Stichwort: Weiterentwicklung der existierenden Lösungen), starten die Disruptoren in einer Nische, die die etablierten Unternehmen überhaupt nicht interessiert!

Hinzu kommen (und das macht das Dilemma, in dem sich die etablierten Unternehmen befinden, besonders deutlich): Die disruptiven Produkte sind oftmals einfacher, billiger und lassen eher niedrigere als höhere Margen erwarten. Sie sind folglich völlig uninteressant für die etablierten Unternehmen. Außerdem finden disruptive Produkte zunächst nur den Weg in unbedeutende Marksegmente (Stichwort: wenig attraktives Kundensegment).

Zudem stellt Christensen fest: Die profitablen Stammkunden der etablierten Unternehmen haben keine Verwendung für diese neuen Produkte. Das ist von daher brisant, da etablierte Unternehmen geneigt sind, ganz genau auf die Kundenwünsche zu hören, um es ihnen möglichst recht zu machen. Konsequenz: das etablierte Unternehmen wird sich nicht oder viel zu spät in Richtung der neuen Märkte bewegen. Bei disruptiven Technologien ist es also nicht zielführend, auf die Kundschaft zu hören!

Das erinnert doch stark an Henry Ford, dem ja das Zitat zugeschrieben wird:

Wenn ich die Leute gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: »schnellere Pferde«“.

Mal ehrlich, wenn man sich obige Kriterien anschaut (niedrigere Marge, unbedeutendes Marktsegment, Stammkunden haben keine Verwendung für die neue Lösung), wer kommt da schon auf die Idee, in diese Technologie zu investieren? Versetzen Sie sich mal in die Rolle eines Vorstandes, der dies seinen Aktionären erklären soll. Sie verstehen vielleicht jetzt besser, in welcher Zwickmühle sich die etablierten Unternehmen befinden!

Genau diese Zwickmühle ist das „Innovator’s Dilemma“!

Die etablierten Unternehmen lassen eine Nische zu, in der der Disruptor ungehindert wachsen kann. Dann steigert sich über die Zeit die Leistungsfähigkeit der zuvor einfacheren Technologien in den Bereich der Produkte der etablierten Unternehmen hinein und lösen diese schlussendlich ab. Die etablierten Unternehmen haben dann aber schon einen solchen Rückstand, dass sie den Wechsel hin zur Innovation nicht mehr schaffen.

Beispiele für Unternehmen, die am Innovator’s Dilemma gescheitert sind

Schifffahrt

Soweit zur Theorie. Schauen wir uns nun zwei Beispiele aus dem Buch an:

Abbildung 2: Thomas W. Lawson (1902-1907). Bildquelle: Wikipedia

Auf diesem Bild sehen Sie die Thomas W. Lawson (S. 8ff). Sie lief 1902 vom Stapel. Sie war das größte je gebaute Segelschiff ohne Hilfsantrieb, der größte je gebaute Schoner und der einzige Siebenmaster überhaupt. Es geht hier also um die evolutionäre Innovation: der siebte Mast.

Ohne Zweifel eine Meisterleistung der Schiffsbaukunst. Leider war dem Schiff keine lange Lebensdauer vergönnt: Im Dezember 1907 kenterte sie in einem Sturm bei ihrer ersten Atlantiküberquerung (Atlantiküberquerungen scheinen generell kein gutes Pflaster für Schiffe zu sein ;-). Mit ihr ging jedenfalls eine ganze Branche unter. Ahnen Sie, was den Untergang heraufbeschwor? Richtig, die Dampfschiffe. Und man fragt sich schon, wie konnten die etablierten Unternehmen auf eine veraltete Technologie setzen und dabei die Entwicklung hin zum Dampfschiff derart verschlafen?

Die etablierten Unternehmen kannten natürlich die Technologie. Aber sie war schlicht uninteressant für sie. Als die Dampfschiffe aufkamen, waren sie den Segelschiffen in fast jeder Hinsicht unterlegen: die Kosten pro zurückgelegter Meile waren höher, sie waren langsamer, sehr viel anfälliger und galten für die Ozeanfahrten als gänzlich ungeeignet. Aber: in einem anderen Markt konnten sie Fuß fassen: in der Binnenschifffahrt. Hier galten schlicht andere Leistungsmaßstäbe: Auf Flüssen und Seen ging es darum, gegen den Wind und auch bei Windstille zu fahren. Hier waren Dampfschiffe den Segelschiffen überlegen.

Der Rest der Geschichte dürfte klar sein: Die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Dampfschiffe nahm zu, die Kosten sanken, und sie entwickelte sich in den Bereich der Segelschiffe hinein. Schließlich lösten sie diese dann ab.

Das Kernproblem für die etablierten Unternehmen lag darin, und das hat Christensen in seinem Buch sehr schön herausgearbeitet, dass die Hersteller der Segelschiffe auf ihre Kunden gehört und sich daher auf die Weiterentwicklung der Segelschiffe konzentriert haben. Ironie des Schicksals: Man hört auf seine Kunden und „verliert“ trotzdem.

Digitale Fotografie

Das zweite Beispiel kennen Sie bestimmt: die digitale Fotografie (S. 41ff).

Abbildung 3: Erste Digitalkamera der Welt von Kodak 1975. Bildquelle: Spiegel-Online

Auf dem Bild sehen Sie die erste Digitalkamera der Welt von Kodak aus dem Jahre 1975. Man muss sich das mal vorstellen: Kodak hatte die Technologie bereits 1975 entwickelt! Die Geschäftsführung aber war der Meinung, dies nicht publik machen zu dürfen, da dadurch ja das aktuelle Kerngeschäft mit Fotopapier und Filmen gefährdet würde. Das wäre in etwa so, als hätte Steve Jobs die Vermarktung des iPhones unterbunden, weil dies das iPod-Geschäft zerstört hätte. Von daher ist das Verhalten des Kodak-Managements wohl eine der spektakulärsten Fehlentscheidungen in der Wirtschaftsgeschichte. Im Jahre 2012 musste Kodak dann Insolvenz anmelden.

Eng verbunden mit der Digitalfotografie ist übrigens die Geschichte von Leica, dem damaligen Ferrari der Fotografen in der analogen Welt (S. 44ff). Leica erging es ähnlich wie Kodak: Die Produkte standen für geniale Technik, Qualität, Präzision und Solidität. Leica bediente das absolute High-End-Segment. Dann kam die Digitaltechnologie und Leica sah lange Zeit keinen substantiellen Markt für die Digitaltechnologie, zumindest nicht bei den klassischen Leica-Kunden. Man glaubte tatsächlich, dies sei nur eine vorübergehende Erscheinung. Man setzte weiter auf analog.

Wieder einmal war die disruptive Technologie anfangs der analogen unterlegen: schlechtere Qualität, niedrigere Auflösung, Bildrauschen, schlechte Farbdynamik und und und. Aber: Die Digitalkameras definierten das Fotografieren vollkommen neu. Der gesamte Prozess war jetzt ganz anders: Kunden können praktisch kostenlos so viele Fotos machen, wie sie wollen. Sie können sie speichern, verändern, versenden und damit sofort mit anderen teilen! Aus einer teuren Kuriosität wird durch Fallen der Produktionskosten und vertretbarer Preise bald ein massentaugliches Produkt.

Die Versuchung ist für etablierte Unternehmen einfach groß, eine „wait and see“-Strategie zu fahren, dabei Konkurrenten den Vortritt zu lassen und, falls der Markt wirklich attraktiv ist, später einzusteigen. In evolutionären Technologien mag das noch gut funktionieren, nicht aber bei disruptiven. Hier ist der „First-Mover-Advantage“ entscheidend! Immerhin gelingt Leica das Comeback!

Damit genug der Beispiele. Wie gesagt, ich kann die Lektüre dieses Buches nur wärmstens empfehlen. In unterhaltsamer Weise wird man in die Geheimnisse der Disruption eingeführt.

Digitale Transformation als branchenübergreifende Disruption

Und was hat das jetzt mit Ihnen zu tun? Nun, die ob beschriebenen Beispiele hatten Folgendes gemeinsam: Die Disruptionen beschränkten sich ausschließlich auf eine Branche.

Und Sie ahnen es wahrscheinlich schon: Es gibt eine neue Disruption, die viel umfassender, viel weitreichender und damit viel gefährlicher für alle ist, nämlich die digitale Transformation:

Die digitale Transformation ist eine Disruption, die jede Branche betrifft!

Schauen wir uns doch mal die aktuell sichtbaren Auswirkungen der digitalen Transformation auf verschiedenste Branchen an:

  • Fotobranche (digitale Fotografie à Konkurs Kodak)
  • Mobiltelefone (Schicksal von Nokia nach iPhone-Einführung)
  • Musikindustrie (iTunes, Spotify)
  • Gesundheitsbereich (KI-basierte Erkennung von Tumoren auf Bildern)
  • Filmindustrie (Netflix)
  • Handel (Amazon, Quelle Niedergang)
  • Banken (Fintechs)
  • Versicherungsbranche (InsurTech, neue Versicherungsprodukte, Smart Contracts)
  • Steuerberatung (TaxTech)
  • Automobilindustrie (Auto neu denken: Computer auf Rädern, autonomes Fahren, Elektromobilität, Wasserstoff, Wandel vom Autoverkauf zum mobilen Dienstleister)
  • Behörden (jede Gesetzesänderung hat Auswirkungen auf Prozesse, z.B. Abwrackprämien, Grundrente, Corona-Hilfen, November-Hilfe,…)
  • Taxiunternehmen (Uber)
  • Hotels (AirBnB)
  • Logistik (Crowdshipping)
  • Buch-/Verlagswesen (Online-Medien)
  • Bildung (MOOCs: Massive Open Online Course)
  • Reisebranche (Online-Reisebüro)
  • IT-Branche (Software-as-a-Service)

Die Liste, die wahrlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, zeigt beispielhaft, wo es überall schon rumort. Ich möchte daher im Folgenden auf die drei in der Liste hervorgehobenen Branchen kurz eingehen:

  1. Banken: Disruptor FinTechs.
    Bill Gates hatte schon 1994 gesagt: „Banking is necessary, banks are not.” Die FinTechs automatisieren Abläufe so gnadenlos effizient, dass sie konkurrenzlose günstige Angebote unterbreiten können. Schaut man sich allein das Traden von Wertpapieren an, so kann man an diesem Beispiel sehr schön erkennen, wie sich der Handel über die Zeit vereinfachte. Neue Broker wie Robin Hood, Scalable Capital, Trade Republic und Smartbroker machen das Traden so einfach, ja es mutet fast spielerisch an. Das macht regelrecht Spaß. Waren die Angebote der Großbanken auf die professionelle Klientel ausgerichtet mit tausenden von Optionen bei der Order-Eingabe, rollen die FinTechs das Feld von der anderen Seite her auf: Gelegenheits- und Amateur-Trader, die vielleicht ihren Sparplan einrichten wollen und das so einfach wie möglich bei den niedrigsten Kosten. Sparpläne kosten heute nichts mehr, selbst auf einzelne Aktien lassen sich Sparpläne einrichten, was von daher komplizierter ist, da ja dann Bruchteile von Aktien erworben werden und nicht immer eine ganze Zahl. Die Großbanken schauen dagegen vergleichsweise hausbacken aus!
    Vielleicht erleben wir es ja noch, dass die TaxTechs (also die Disruptoren bei der digitalen Transformation der Steuerberatung) ähnlich erfolgreich wie die FinTechs sind und den Spaß bei der Steuererklärung wecken. Zweifel sind jedoch angebracht 😉

  2. Nächstes Beispiel: Die Automobilbranche – unsere Vorzeigeindustrie – sie darf natürlich in diesem Zusammenhang nicht fehlen. Sie wird aktuell aber auch wirklich extrem gebeutelt, weil sie an verschiedensten Fronten zu kämpfen hat (siehe oben). Produkthersteller haben es im Zuge der digitalen Transformation ohnehin schon schwer genug, da sie neben der eigentlichen Produktverbesserung bzw. Produktinnovation auch noch die neuen digitalen Geschäftsmodelle im Auge behalten müssen. In der Automobilindustrie wären das etwa begleitende Dienstleistungen.

    Beispiel: Bei der Elektromobilität errechnet das Auto aufgrund des angegeben Zielorts, wann es wo zum Nachladen am geeignetsten ist, reserviert den Stellplatz an der Ladesäule und arrangiert ggf. einen Tisch im Café/Restaurant, damit sich der Fahrer während des Ladevorgangs erfrischen kann.

    Oder Inspektionstermine: Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich persönlich habe keine Lust mehr, selbst darauf zu achten, wann die nächste Inspektion ansteht und mich um den Termin zu kümmern. Das weiß das Auto doch alles. Das Auto kann sich mit der Werkstatt in Verbindung setzen, die sich anschließend bei mir meldet und mir Termine vorschlägt, wann sie das Auto austauschen könnte. Ich wähle nur noch den für mich passendsten Termin aus. Anschließend geht alles wie von selbst: Das Auto wird an dem vereinbarten Termin bei mir abgeholt, mir stellt man ein Ersatzauto bereit, so dass ich weiterhin mobil bin, und nach der Inspektion werden die Autos wieder zurückgetauscht – alles ohne mein zutun. Ist dann erst einmal das autonome Fahren etabliert, muss noch nicht einmal mehr ein Mensch für den Austausch sorgen.

    Außerdem sollen mir die entstehenden Kosten vorher bekannt sein. Immer diese „Überraschungen“: Bremsbeläge sehen nicht mehr gut aus – warum kann das Auto das nicht selbst „sehen“? Reifen abgefahren – kann doch schon vorher ermittelt werden und und und. Die ganzen Prozesse rund ums Auto sind meiner Meinung nach nicht konsequent kundenfreundlich zu Ende gedacht.

    Und dann darf natürlich der große Disruptor in dieser Branche nicht unerwähnt bleiben: Tesla! Mal ehrlich – wer hätte jemals gedacht, dass gerade die Automobilindustrie, die über Jahrzehnte gewachsen ist, wo sich engste Lieferanten- und Partnerbeziehungen entwickelt und eingespielt haben, wer hätte es je für möglich gehalten, dass ein einziger Hersteller die gesamte Branche überrumpeln könnte? Aktuell sieht es ja wie ein Kampf „Alle gegen Tesla“ aus. Tesla hatte Anfang der Woche (mein Vortrag fand am 26.11.2020 statt) eine Marktkapitalisierung von über 500 Mrd. US-$. Das entspricht in etwa einem Drittel der gesamten Automobilbranche! Nur weil Tesla das Auto ganz neu gedacht und entsprechend konsequent kundenfreundlich umgesetzt hat?

    Beispiel Ladestationen: Für Tesla gibt es wie selbstverständlich ein ordentlich dichtes Netz von Superchargern. Wer hat dieses Netz errichtet? Tesla selbst hat es umgesetzt. Und unsere Automobilindustrie verlangt nach dem Staat. Sehr seltsam, oder? Am 16.11.2020 titelte das Manager Magazin: Deutschland droht ein Lade-Debakel – während Tesla erneut vorprescht. Kerninhalt des Artikels: Tesla weiht eine neue Supercharger-Station nach der anderen ein und in Deutschland fordert Daimler-Chef Ola Källenius, „dass sich der Staat bei der Ladeinfrastruktur engagieren müsse“. Es tut mir leid, aber ich empfinde so etwas als höchst peinlich!

    Die Automobilbranche durchlebt also gerade einen „Perfect Storm“: Mehrfache Disruptionen sowohl auf der Produkt- als auch auf der Dienstleistungsebene. Wahrlich keine beneidenswerte Situation!

    Und wer nach Kenntnis dieses Beispiels noch ernsthaft glauben kann, ihn gehe die digitale Transformation nichts an, dem ist wahrlich nicht mehr zu helfen!

  3. Das bringt mich zum dritten Beispiel – die IT-Branche. Hier sind die „Software as a Service“-Anbieter die neuen Herausforderer, die Disruptoren, namentlich Salesforce.com. Auch sie konnten sich unbehelligt von den großen Playern in Nischen etablieren, die für die etablierten Unternehmen seinerzeit uninteressant waren. Die ersten von Salesforce.com bereitgestellten Unternehmensanwendungen in der Cloud wurden von den Großen nur milde belächelt. Wer sollte diese Lösungen nutzen? Erinnern Sie sich an den Theorieteil? Einfacher, billiger, eingeschränkt in der Nutzung und damit vermeintlich eine schlechtere Qualität, uninteressante Märkte und etablierte Stammkunden wollen diese Produkte nicht? Wieder einmal konzentrierten sich die etablierten Unternehmen auf ihre Schlachtschliffe und entwickelten sie ganz nach den Wünschen ihrer Kunden evolutionär weiter – klingt nach einem klassischen „Innovator’s Dilemma“, oder?

    Ich befürchte tatsächlich, dass auch SAP in dem „Innovator’s Dilemma“ gefangen ist, denn die Parallelen sind schon offensichtlich. Am 26.10.2020 haben wir einen kleinen Vorgeschmack auf das bekommen, was vielleicht sogar unserem Vorzeigeunternehmen in der IT-Welt droht. Bei der Bekanntgabe der letzten Geschäftszahlen rauschte der Aktienkurs nur so gen Süden. Finanzvorstand Mucic sagte daraufhin in einem Welt-Interview im Hinblick auf die Reaktionen des Marktes: „…dass auch für unsere Kern-ERP-Lösungen die Kunden ganz klar von uns ein vereinfachtes Cloud-Angebot wünschen.“ Und: „Auf der anderen Seite waren damals die Rahmenbedingungen und auch die Kundenpräferenzen in der Tat noch andere.“

    Klingt nach einem Unternehmen, das ausschließlich nach den Wünschen der Kunden entwickelt, oder? Hoffentlich ist es jetzt noch nicht zu spät. Eine weiterführende Diskussion dieses Falles finden Sie übrigens in einem weiteren Blog von mir.

Welche Lehren können wir aus den Beispielen der digitalen Transformation ziehen?

Sie werden sich jetzt sicherlich fragen: Und nun? Was bedeutet das konkret für die Unternehmen?

Beginnen wir zunächst mit einer nüchternen Feststellung: Die digitale Transformation ist nun einmal da, wir können Sie nicht wegdiskutieren. Daher müssen Unternehmen sie als Chance begreifen und eine digitale Transformationsstrategie erarbeiten.

Um eine digitale Transformationsstrategie erarbeiten zu können, müssen wir das Wesen der digitalen Transformation verstehen. Warum ist sie (die digitale Transformation also) so wichtig? Warum sollte ich ihr Beachtung schenken? Weil sie schnell, disruptiv, existenzgefährdend ist, und das auch noch branchenübergreifend und über alle Unternehmensgrößen hinweg! Also müssen Unternehmen ebenfalls schnell sein und idealerweise agieren und nicht nur reagieren können!

Darüber hinaus müssen wir die digitale Transformation selbst verstehen, also der Frage nachgehen: Was zeichnet die innovativen digitalen Geschäftsmodelle aus? Was tun denn die anderen konkret? Wenn wir uns also die bereits existierenden, disruptiven Geschäftsmodelle ansehen, was haben diese denn gemeinsam? Amazon, Uber, AirBnB, Netflix, Salesforce.com und wie sie alle heißen? Was ist denn das Geheimnis dieser „Plattform“-Geschäftsmodelle? Was steckt drin? Am Ende des Tages handelt es sich bei all diesen neuen Geschäftsmodellen um die konsequente Automatisierung innovativer digitaler Prozesse!

Bei Produktherstellern kommen also neben den eigentlichen Produktinnovationen auch noch die unterstützenden Serviceprozesse hinzu:

Die Lieferung qualitativ hochwertiger Produkte
wird als alleinige Strategie nicht mehr ausreichen!

Produkthersteller stehen also mindestens vor einer doppelten Herausforderung. Ist zudem den Produktherstellern die individuelle Softwareentwicklung auch noch fremd, da sie sich bisher mit dem Kauf von Software gut über Wasser halten konnten, stehen sie jetzt vor zusätzlichen Herausforderungen, da sie sich ein Stück weit zu Softwareunternehmen wandeln müssen! Eine gigantische Herausforderung!

Lassen Sie mich auch noch ein paar Gedanken zu dem Begriff „Prozessinnovation“ mit Ihnen teilen: Es handelt sich also um neue Prozesse, folglich kann man sie auch nicht von der Stange kaufen. Unternehmen sind demnach gefordert, diese Prozesse selbst zu identifizieren und konsequent unter Einsatz der passenden Optionen, die die IT so bietet, selbst zu implementieren! Und Sie sollten tatsächlich darauf achten, es selbst zu tun, denn nur dann haben Sie auch die vollständige Kontrolle darüber. Softwareentwicklung muss meiner Meinung nach im Laufe der digitalen Transformation zur Kernkompetenz eines jeden Unternehmens werden (siehe zu diesem Thema auch mein Plädoyer für die individuelle Softwareentwicklung)!

Warum? Ganz einfach: Nur so sind die Unternehmen selbst Herren der Lage und können bei Änderungen am Markt bzw. Wettbewerbssituation zeitnah agieren. Nehmen Sie Amazon als Beispiel: Meines Wissens hat Amazon sämtliche Kernprozesse selbst entwickelt – keine Standardsoftware. Eben weil Amazon die Prozesse so wichtig sind und sie darüber die Kontrolle behalten wollen. Amazon macht also das genaue Gegenteil von dem, was wir typischerweise in unseren Unternehmen vorfinden. Das sollte schon zum Nachdenken anregen!

Was ist nun die Schlussfolgerung? Wir sehen neue digitale Geschäftsmodelle in dazu passenden Prozessen umgesetzt, die konsequent am Kunden ausgerichtet sind (siehe Amazon). D.h. die Innovationen stecken also in den Prozessen! Diese Aussage stammt übrigens nicht von mir, sondern von Prof. Scheer, der in einem wegweisenden Interview aus dem Jahre 2013 die Marschrichtung vorgegeben hat. Er befand:

Die Innovationskraft liegt in den Prozessen!

Leider verstehen viele Unternehmen die Konsequenzen dieser Aussage nicht. Sie verstehen diesen Trend noch immer nicht und sie wissen auch nicht, wie sie damit umzugehen haben!

Denn das würde ja ganz konkret bedeuten, dass Unternehmen wissen müssten, wie sie Prozessentwicklungsprojekte abzuwickeln haben. Aber genau dieses Wissen ist in der Breite nicht vorhanden! Hier gibt es ganz massive Defizite! Es geht also um die Frage nach dem…

WIE?

Wie können Unternehmen ihre Innovationskraft entfalten?

Und genau hier setzt der auf meiner Webseite diskutierte „Prozessgesteuerte Ansatz“ an. Bei dem „Prozessgesteuerten Ansatz“ handelt es sich um eine auf Prozessmodellen basierende Projektabwicklungs- und Implementierungsmethodik für digitale Transformationsprojekte, bei denen beliebige innovative Abläufe umzusetzen sind. Der Ansatz hat dabei alles vorgedacht, was Unternehmen für Prozessimplementierungsprojekte wissen müssen. Die Unternehmen müssen dieses vorgedachte Wissen „nur noch“ anwenden! Ich möchte an dieser Stelle nicht weiter in die Details des Ansatzes eintauchen, da dies alles auf meiner Webseite dokumentiert ist. Die wichtige Botschaft ist: Das Wissen existiert und liegt abrufbereit vor 🙂

Das Schöne daran: Unternehmen müssen sich um sämtliche IT-Themen und Technologien wie Künstliche Intelligenz, Big Data oder auch Cloud Computing, die die digitale Transformation begleiten und für viel Aufsehen sorgen, zunächst einmal nicht kümmern. Sie sind nachgelagert, ganz nach dem Motto: „Erst der Prozess, dann die Technologien“. Sie sind letztendlich nur Mittel zum Zweck!

Daher können wir festhalten:

Die digitale Transformation eröffnet den Wettkampf
um die innovativsten digitalen Geschäftsmodelle!
Der „Prozessgesteuerte Ansatz“ ist dabei ihr Begleiter,
der ihnen in diesem Wettkampf die Freiräume schafft,
um sich auf das zu konzentrieren, was wirklich zählt:

Ihr Geschäft!

Der Ansatz hält Ihnen also den Rücken frei! Folglich kann der „Prozessgesteuerten Ansatz“ Ihnen methodisch und IT-seitig bei Prozessprojekten weiterhelfen, so dass Sie sich darüber zumindest schon mal keine Gedanken mehr machen müssen. Das Fundament ist grundsolide. Der Ansatz kann Ihnen aber Ihre Kreativität nicht abnehmen.

Konzentration auf Kreativität im Kerngeschäft eines Unternehmens!

Die Kreativität, die Innovationsfreude, das Experimentieren, das Aufstellen neuer Geschäftsideen und –modelle, das muss von Ihnen kommen und das kann Ihnen auch niemand abnehmen. Aber genau dafür haben Sie jetzt Kapazitäten frei! Der Ansatz ist genau dann zur Stelle, wenn Sie ihn brauchen: Bei der Umsetzung. Und er ist so flexibel und effizient, dass auch mal ein Irrweg zu verkraften ist und Sie nicht gleich in den Ruin stürzt. Dieser Punkt ist von daher so wichtig, weil Sie mit neuen Geschäftsmodellen natürlich neues Terrain betreten mit ungewissem Ausgang. Sie können nicht vorhersehen, wie der Markt entscheiden wird. Dann beruhigt das Wissen um die schnelle Anpassbarkeit an eben diese neuen Marktgegebenheiten, die Ihnen der „Prozessgesteuerte Ansatz“ ermöglicht.

Mit welchen Vorteilen können Sie rechnen, wenn Sie sich auf den „Prozessgesteuerten Ansatz“ einlassen? Hier verweise ich auf meinen Motivations-Artikel zum „Prozessgesteuerten Ansatz“, aus dem ich hier zitiere:

  1. Produktivitätssteigerung durch die neuen/verbesserten Prozesse selbst
  2. Produktivitätssteigerung bei der Abwicklung von Prozess-Digitalisierungsprojekten durch die Eliminierung von Missverständnissen in der Kommunikation zwischen Fach- und IT-Beteiligten (generell eines der größten Probleme bei der Umsetzung von Softwareprojekten)
  3. Produktivitätssteigerung bei der Erstumsetzung der Prozesse (wesentlich effizienter als Programmierung)
  4. Produktivitätssteigerung bei dem Betrieb der Prozesse
  5. Produktivitätssteigerung bei der Wartung und Weiterentwicklung der Prozesse
  6. Flexibilitätsverbesserung bei Veränderungen im Marktumfeld, bei neuen Wettbewerbssituationen/Geschäftsmodellen oder beim Auftauchen neuer Technologien. Dieser Punkt ist von besonderer Bedeutung, da dadurch auch die Hemmschwelle zur fundamentalen Änderung des Geschäftsmodells und der damit einhergehenden Änderungen an den Prozessen gesenkt wird.
  7. Transparenz: Unternehmen können visuell in Echtzeit nachvollziehen, wie ihre Prozesse ablaufen und verstehen, was in ihrem Unternehmen aktuell passiert

Um Missverständnisse vorzubeugen: Auch wenn ich in diesem Blog-Beitrag sehr stark auf die Innovation und damit eher auf neue Prozesse eingegangen bin, so ist der Einsatz des Ansatzes natürlich nicht darauf beschränkt! Um es deutlich zu sagen:

Der „Prozessgesteuerte Ansatz“ ist für die Implementierung aller Prozessarten geeignet:
Für Kernprozesse, unterstützende Prozesse, evolutionäre oder disruptive Prozesse
.

Fazit

Damit komme ich zu meiner Zusammenfassung und meinen abschließenden Empfehlungen:

  • Die digitale Transformation fordert Unternehmen heraus: Fokussieren Sie sich auf Ihr Geschäft und auf innovative digitale Geschäftsmodelle, die letztendlich durch Prozesse umgesetzt werden
  • Setzen Sie Ihre modellbasierten Prozesse nach dem „Prozessgesteuerten Ansatz“ um. Er ist Ihr Innovations- und Digitalisierungskatalysator, der Sie methodisch sicher durch die digitale Transformation führt
  • Sollten Sie noch keine Erfahrungen mit dem „Prozessgesteuerten Ansatz“ besitzen, so holen Sie sich einen erfahrenen Berater an Bord. Achten Sie bei der Auswahl Ihres Beratungs- und Implementierungspartners auf folgende Punkte:
    • Beherrscht der Partner den „Prozessgesteuerten Ansatz“? Lassen Sie sich die Kenntnisse und Referenzen nachweisen und achten Sie darauf, dass die Projektteilnehmer durch mich ausgebildet wurden, um Trittbrettfahrer zu vermeiden! Bei Zweifeln kommen Sie einfach direkt auf mich zu!
    • Digitalisierungskenntnisse sind bei dem Partner wichtiger als Branchenkenntnisse! Ein Partner, der sich in Ihrer Branche auskennt, denkt so wie Sie. Wie können dabei wirkliche Innovationen entstehen?
    • Ihr Partner will Ihnen das Fischen beibringen und Ihnen nicht Fische verkaufen: Am Ende des Projektes sollten Sie die prozessgesteuerte Methodik selbst beherrschen und nicht mehr auf Ihren Partner angewiesen sein!

Der Weg für eine erfolgreiche digitale Transformation und damit für eine Vermeidung des Innovator’s Dilemma ist geebnet – Sie müssen jetzt „nur noch“ handeln. Daher ende ich mit dem berühmten Zitat von Johann Wolfgang von Goethe:

Erfolg hat 3 Buchstaben: TUN!

5 Antworten auf „Weg aus dem „Innovator’s Dilemma“: Der „Prozessgesteuerte Ansatz““

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