Prozessautomatisierung im Gesundheitswesen

Die neueste Folge 79 des Podcasts „State of Process Automation“ von Christoph Pacher beleuchtet die Prozessoptimierungspotenziale im Gesundheitswesen. Der sehr sympathische Gast Dr. Ansgar Hörtemöller berichtet hochkompetent über Potenziale, die prozesstechnisch im Gesundheitswesen gehoben werden können. Sehr spannend!

Im Podcast wird auch ein sinnvoller Einsatz von Process Mining zur Identifikation der effizientesten Varianten von Prozessen für bestimmte Krankheitsbilder erläutert (ja, ich kann mich auch lobend über Process Mining äußern 😉). Dr. Hörtemöller bezeichnet es als die Suche nach „den Trampelpfaden“, in dem die derzeitigen Abläufe auf Basis digitaler Spuren mithilfe von Process Mining analysiert wurden (ab ca. Minute 16:15). Anschließend folgt das bekannte Loblied auf Process Mining.

Was dadurch allerdings auch deutlich wird: Es handelt sich bei diesen Beispielen einmal mehr um Szenarien für die Digitalisierung und NICHT für die digitale Transformation, wie die Folge wieder einmal angekündigt wurde (siehe die Ankündigung auf LinkedIn hier). Die Prozesse wurden auch nicht neu gedacht (siehe auch hier die Ankündigung zur Folge), sondern im Sinne der Digitalisierung evolutionär weiterentwickelt.

Unglücklicherweise nutzt Hr. Dr. Hörtemöller den prozessgesteuerten Ansatz nicht zur Implementierung der verbesserten Prozesse, was man aus seiner Bemerkung bei Minute 26:20 entnehmen kann. Er sagt:

Und wenn man dann einen kleinen Teilprozessschritt verändert hat, kann man mit Process Mining ja zu jeder Zeit den Prozessschritt erneut überprüfen und kann sehen, diese kleine Veränderung, wie groß die Auswirkungen sind.

Bei Einsatz des prozessgesteuerten Ansatzes benötigt man bekanntlich kein Process Mining mehr. Die Kliniken hätten somit die Chance, noch mehr Transparenz in ihre Abläufe zu bekommen (besser, als jedes Process Mining-Tool es jemals könnte) und dabei gleichzeitig die kostspielige Nutzung von Process Mining sukzessive zu reduzieren.

Leider werden in dem Podcast auch keine Zahlen bezüglich der Kosten der angesprochenen Projekte genannt. Was hat denn der Einsatz von Process Mining und die Umsetzung der Projekte konkret gekostet? Vielleicht kann der Moderator, Christoph Pacher, zukünftig hier auch mal konkreter nachfragen. Meiner Meinung nach werden die Kosten des Einsatzes von Process Mining viel zu wenig thematisiert. Ansonsten eine tolle Folge, die ich sehr inspirierend fand! Mehr davon!

Neuer Podcast live

In Zusammenarbeit mit Bots&People ist ein neuer, hoffentlich für Euch interessanter Podcast zur Nutzung des Prozessgesteuerten Ansatzes entstanden. Neben der obligatorischen Begriffsdefinition zwischen Digitalisierung und digitaler Transformation (siehe dazu auch meinen Artikel hier), diskutiere ich mit der Moderatorin Louise Kuehns die konkreten Auswirkungen des Ansatzes auf sowohl etablierte Unternehmen als auch auf Startups. Gerade für Startups bietet der Prozessgesteuerte Ansatz enorme Chancen bei der Gestaltung der digitalen Transformation. Alle Details nachzuhören im besagten Podcast, den Ihr über diesen Link erreichen könnt. Viel Spaß beim Anhören!

10 Irrtümer der digitalen Transformation

Am Wochenende war es mal wieder soweit: Ein neuer Podcast mit dem Titel „10 Gründe, warum Unternehmen bei ihrer digitalen Transformation in einer Sackgasse landen“ wurde auf der Plattform „The State of Process Automation“ von Christoph Pacher veröffentlicht.

Darin räume ich nicht nur mit ein paar Mythen zu Process Mining, Robotic Process Automation oder Microservices auf, sondern gebe auch eine Einschätzung zu einer idealen Low-Code-Plattform ab. Darüber hinaus möchte ich nicht nur die Finger in die Wunden legen, sondern auch einen Weg aus den vielen Sackgassen aufzeigen.

Meine persönliche Highlight-Liste der Anhaltspunkte, anhand derer man erkennen kann, dass man bei der digitalen Transformation auf dem Holzweg ist, liest sich dabei wie folgt:

  1. Ihr setzt BPMN nicht oder falsch ein
  2. Ihr setzt keine BPMN-basierte Process Engine ein oder ihr setzt sie falsch ein
  3. Ihr programmiert Eure Prozesse
  4. Ihr kauft Software zur Lösung von Problemen
  5. Ihr setzt Robotic Process Automation (RPA) ein und plant dessen Rückbau nicht ein
  6. Ihr nutzt Ereignisse zur Verknüpfung von Microservices zu Prozessen
  7. Ihr setzt die (falsche) No-Code/Low-Code-Plattformen ein (im Gegensatz zum Einsatz einer Infrastrukturkomponente)
  8. Ihr setzt auf Citizen Developer als Lösung des IT-Fachkräftemangels
  9. Ihr setzt Process Mining ein
  10. Bei Personal-Fluktuation (z.B. Entwickler, SW-Architekt) verschwindet das Wissen mit und lässt sich nicht sofort ersetzen

Wichtig: Es handelt sich NICHT um eine Liste für die Digitalisierung, sondern um die Liste für die digitale Transformation. Den Unterschied habe ich ja in einem Artikel auf dieser Webseite schon erklärt. In der Podcast-Folge gehe ich zudem auf einen weiteren Anhaltspunkt ein, der hier aber nicht veröffentlicht werden soll. Hört daher in den Podcast rein, den Ihr hier (Folge 65) finden könnt.

Viel Spaß beim Anhören!

Podcast-Ankündigung

Ich möchte Sie hiermit auf einen Podcast aufmerksam machen, der am Sonntag, den 06.03.2022 veröffentlicht wird.


Christoph Pacher, der Betreiber der Podcast-Reihe The State of Process Automation, hat mich nach meiner Meinung zu den Folgen der Digitalisierung bzw. der digitalen Transformation befragt. In dem Podcast erkläre ich, warum uns die eigentliche Disruption durch die digitale Transformation erst noch bevorsteht: Die Disruption der IT-Abteilungen, also einem Bereich, von dem man es am wenigsten erwartet hätte.

Wir besprechen die Bedeutung der Handlungsfähigkeit der IT für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und natürlich darf der Prozessgesteuerte Ansatz als Lösungsoption in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben.

Seien Sie also gespannt 😉

PiDiArtify – Die bessere Alternative zu aktuellen Trends in der Digitalisierung bzw. digitalen Transformation

Wer meine Blog-Beiträge und Artikel gelesen hat, weiß um meine Kritik an einigen aktuellen Entwicklungen in der Digitalisierung bzw. digitalen Transformation (zum Unterschied zwischen Digitalisierung und digitalen Transformation siehe meinen Artikel hier). Die Hauptkritikpunkte habe ich in meinem Moral Hazard-Artikel zusammengefasst. Und wenn man denkt, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, tritt genau das ein. Auslöser für diesen Blog-Beitrag und meiner Entscheidung, mich mit Entschiedenheit von einigen neuen Trends der Digitalisierung/digitalen Transformation zu distanzieren, war die Keynote von SAP CTO und Mitglied des Vorstands der SAP SE Jürgen Müller anlässlich der SAP TechEd 2021, die man sich hier auch nochmal in Ruhe ansehen kann.

Nun sind No-Code- bzw. Low-Code-Plattformen wahrlich nichts Neues. Doch die Meinung und Aussage von Hrn. Müller ab Minute 36:46 nach der Demo zu SAP‘s neuer No-Code-Plattform SAP AppGyver kann ich so weder teilen noch gutheißen. Ich zitiere wörtlich:

„Actually I hope that some of this can remove some of the inequality in the world we talked earlier about. Just think about it: SAP alone has more than 230 million end users of our cloud applications. And there are a lot more when you include our on-premise systems. And now imagine that we can show all those end users a path to becoming a citizen developer. I’m already looking forward to seeing someone, may be an hourly worker, and she or he extends an SAP-system, for example with SAP AppGyver. This can unlock a new order of magnitude of value creation: for that individual person, of course, but also for society as a whole. And that actually can help closing the skill gap we have, too.“

Frei übersetzt (mit Unterstützung von DeepL):

“Ich hoffe sogar, dass dadurch ein Teil der Ungleichheit in der Welt, über die wir vorhin gesprochen haben, beseitigt werden kann. Denken Sie einfach mal darüber nach: Allein bei SAP gibt es mehr als 230 Millionen Endnutzer unserer Cloud-Anwendungen. Und es sind noch viel mehr, wenn Sie unsere On-Premise-Systeme mit einbeziehen. Und nun stellen Sie sich vor, dass wir all diesen Endnutzern den Weg zum Citizen Developer zeigen können. Ich freue mich schon darauf, wenn ich jemanden sehe, vielleicht einen Stundenarbeiter, der ein SAP-System erweitert, zum Beispiel mit SAP AppGyver. Das kann eine neue Größenordnung der Wertschöpfung freisetzen: für die einzelne Person natürlich, aber auch für die Gesellschaft als Ganzes. Und das kann tatsächlich auch dazu beitragen, die Qualifikationslücke zu schließen, die wir haben.”

Genau das, was hier angedeutet wird, verstehe ich NICHT unter Digitalisierung und digitaler Transformation. Es ist für mich tatsächlich das genaue Gegenteil!

Konkret: Sollten die Endnutzer nun, wie vorgeschlagen, in wirklich signifikanter Zahl anfangen, Erweiterungen zu ihren geschäftskritischen Anwendungen zu bauen, so ist dies der wahrgewordene Albtraum jeder IT-Abteilung! Eine unüberschaubare Zahl von Kleinstanwendungen mit Zugriff auf hochkritische Backend-Systeme – unvorstellbar. Unzählige ungelöste Fragen in Bezug auf Sicherheit, Last, Performance, Stabilität, Wartbarkeit, Abhängigkeiten zwischen Systemen, usw.

Sicherlich ist es wünschenswert, die Fachexperten mehr in die Ausgestaltung der Geschäftsprozesse mit einzubinden, Agilität ist ebenfalls sehr wichtig, ABER: Dieser Ansatz dazu kann es nun wirklich nicht sein! Und dass damit die Qualifikationslücke geschlossen werden soll, halte ich für Wunschdenken. Im Gegenteil: Es werden mehr IT-Fachkräfte benötigt, um diesen Wildwuchs später kontrollieren zu können. Hier wird in den Unternehmen eine tickende Zeitbombe scharf geschaltet, die in der völligen IT-Handlungsunfähigkeit münden kann. Genau das können sich Unternehmen aktuell in der Digitalisierung bzw. digitalen Transformation nicht leisten!

Kritik muss immer sachlich sein und vor allem sollte man eine bessere Alternative anbieten können. Mein Gegenvorschlag liegt in einer qualitativ hochwertigen und nachhaltigen Umsetzung von fachlich-getriebenen Geschäftsinnovationen. Diesen Weg zur digitalen Selbstbestimmung und einer neuen Transformation habe ich mittlerweile in unzähligen Büchern, Artikeln, Blog-Beiträgen und auch Online-Seminaren veröffentlicht. Und damit jeder diese Methodik erkennen und zuordnen kann, haben wir ihr einen Namen gegeben: PiDiArtify!

Ich möchte an dieser Stelle auf die neu gegründete, zugehörige PiDiArtify-Initiative hinweisen, in der wir, neben meinen Artikeln und Blog-Beiträgen, über PiDiArtify berichten und unsere Vorstellungen dieser neuen Qualität erklären werden. “Wir” bedeutet in diesem Zusammenhang meine Partner und ich bei 730pm, unserem neu gegründeten Unternehmen mit einer klaren Mission: Hilfe zur Selbsthilfe bei der neuen digitalen Transformation mit PiDiArtify.

Wir suchen Gleichgesinnte, die sich mit den Zielen von PiDiArtify identifizieren können und die zugrundeliegenden Ideen für eine bessere und nachhaltigere digitale Transformation auch weiterverbreiten möchten. Das erste Treffen der Initiative findet online am 28.01.2022 um 15:30 Uhr statt. Zur Teilnahme genügt die Anmeldung zum Newsletter der Initiative unter https://www.pidiartify.de/newsletter/. Ich freue mich auf Ihre Mitarbeit!

Unterschiedliches Verständnis von Digitaler Transformation anhand zweier Beispiele: SAP und MID

In meinem Artikel mit dem Titel „Digitalisierung vs. Digitale Transformation: Warum Digitalisierung nicht genügt“ bin ich auf mein Verständnis eingegangen, was ich unter Digitalisierung bzw. digitaler Transformation konkret verstehe. Das ist natürlich nur meine Sicht der Dinge, denn das Verständnis darüber kann sehr weit auseinanderliegen, wie ich an zwei konkreten Beispielen verdeutlichen möchte. Das erste Beispiel stammt aus einem Newsletter, den ich vorgestern (15.12.2021) in meiner Email-Box fand. Er stammt von der SAP SE und kündigt einen vielversprechenden Artikel mit dem Titel „So treibt die Felix Schoeller Group mit SAP und der Telekom die digitale Transformation voran“ an. Das zweite Beispiel liegt schon etwas länger zurück und betrifft ein Webinar der Firma MID GmbH vom 24.11.2021. Auch dieses Webinar wirbt mit einem nicht minder spannenden Titel: „DATEVs digitale Transformation mit Prozessstandards und Bpanda“.

Offensichtlich nutzen beide Beiträge den Begriff „Digitale Transformation“. Schauen wir mal in die Inhalte und entscheiden anschließend, wie nach meiner Definition die beiden Beispiele einzuordnen sind. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich hier nicht über „richtig“ oder „falsch“ urteilen möchte. Ich möchte lediglich verdeutlichen, wie unterschiedlich ein und derselbe Begriff von SAP, MID und auch von mir interpretiert wird. Ich überlasse es Ihnen, wie Sie darüber urteilen. Eines sollten Sie allerdings aus diesem Vergleich mitnehmen: Fragen Sie immer nach, was derjenige, der Ihnen etwas verkaufen möchte, unter Digitalisierung bzw. digitaler Transformation konkret versteht. Sie beugen dadurch unliebsamen Überraschungen vor. Dabei kann Ihnen mein Grundlagenartikel mit seinen vielfältigen Kriterien als Orientierung zur Einstufung in Digitalisierung bzw. digitale Transformation dienen.

Doch nun zurück zu den Beispielen. Ich beginne mit dem SAP-Artikel, in dem es um das Reisekostenmanagement bei der Felix Schoeller Group, einem Hersteller von Spezialpapieren, geht. Nach meiner Definition gehört dieses Fallbeispiel eindeutig in die Kategorie Digitalisierung. Warum? Die Beschreibung zeigt die Einführung einer Standardlösung. Der Zettelwirtschaft soll ein Ende bereitet und durch digitale Prozesse ersetzt werden. Im Grunde sind also Standardprozesse zu implementieren. Dies ist allerdings eines meiner Kriterien für die Einstufung in die Digitalisierungskategorie. Weiterhin wird im Artikel kurz auf die Vorgehensweise im Projekt eingegangen. So heißt es im Text: „Den Beginn des Prozesses markiert eine Analyse der bestehenden Prozesse.“ Wir haben es hier also mit der klassischen Ist-Aufnahme von Prozessen und folglich mit einem Bottom-Up-Vorgehen zu tun. Auch das ist ein klarer Hinweis auf eine Digitalisierung. Last but not least gehört das Thema „Reisekostenmanagement“ mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zur Kernkompetenz der Felix Schoeller Group und wird dem Unternehmen demnach wohl kaum einen Wettbewerbsvorteil bringen. Der Einsatz von Standardsoftware bringt einem Unternehmen keine, und wenn überhaupt, dann nur relativ kurzfristig Wettbewerbsvorteile, da die Konkurrenz durch den Kauf ähnlicher Software den Vorteil schnell egalisieren kann. Mit anderen Worten: Das Geschäftsmodell hat sich für die Felix Schoeller Group aufgrund des Einsatzes der Standardlösung mit Sicherheit nicht geändert. Der Wettbewerbsvorteilsaspekt und die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells spielen allerdings für meine Definition der digitalen Transformation eine ganz entscheidende Rolle. Dieser Sachverhalt ist hier also nicht erfüllt, folglich handelt es sich bei diesem Beispiel auch nicht um eine digitale Transformation.

Sie sehen also: Gemäß meiner Definition handelt es sich in diesem Fall lediglich um eine Digitalisierung und nicht um eine digitale Transformation.

Dem MID-Anwendungsfall liegt ein Webinar zugrunde, das am 24.11.2021 stattfand und auf YouTube unter diesem Link veröffentlicht wurde. Mit meiner Definition von „Digitaler Transformation“ im Kopf war ich natürlich sehr gespannt, wie die DATEV die digitale Transformation mit Prozessstandards wohl angehen würde. Ich erwartete Informationen über die Steigerung des Automatisierungsgrades bei den Kernprozessen der DATEV und wie dies auf Basis von Prozessmodellen wohl erreicht wurde. Allerdings wurde ich dann doch arg enttäuscht. Denn mit der Automatisierung von Prozessmodellen hatte das Webinar rein gar nichts zu tun. Es ging im Wesentlichen um die kontinuierliche Prozessverbesserung bei der DATEV auf Basis von dokumentierten (!) BPMN-Prozessmodellen und wie man die Zusammenarbeit organisatorisch in den Griff bekommt. Hier muss man den Veranstaltern zumindest zugutehalten, dass durch Einsatz von Tools eine gewisse IT-Unterstützung gegeben war. So saß ich also ungeduldig vor dem Monitor und wartete auf innovative Automatisierungsansätze, die dann leider nicht kamen.

Auf die Frage, ob denn auch an eine Automatisierung der so mühsam erstellten BPMN-Modelle mittels Process Engines gedacht werde (ab Stelle 1h 08min 01sec), kam die Antwort, dass dies bei der DATEV noch in den Kinderschuhen stecke. Überhaupt ist gerade bei dieser Frage eine interessante Verhaltensänderung des DATEV-Experten zu beobachten. Nach der Frage trat zunächst ein vielsagendes Schweigen ein. Für mich wirkte der Herr an dieser Stelle verunsichert. Es folgten halbherzige Aussagen rund zu „Process Mining“ und „Celonis“. Da muss man sich schon fragen, wie man bei Process Engines als erstes an Process Mining denken kann? Später kam dann noch die Automatisierung von Formularen ins Spiel, aber es war deutlich zu spüren, dass über eine BPMN-basierte Prozessautomatisierung, zumindest in dieser DATEV-Abteilung, noch nicht intensiver nachgedacht wurde.

Noch eine kleine Bemerkung am Rande: Im Webinar kam auch die Frage nach der Nutzung der gesamten BPMN-Palette zur Sprache (ab Stelle 1h 01min 30sec). Wie nicht anders zu erwarten, wurde auch diesmal wieder die Mähr von der Komplexität der BPMN erzählt. Man möchte die Leute ja schließlich mit der ganzen BPMN-Fülle nicht verwirren, so die Aussage. Meine Erfahrungen sind jedoch ganz andere. Es ist nach meiner Ansicht essenziell, die gesamte Palette zu kennen, da jedes Element, jedes Symbol und jede Markierung nicht ohne Grund Einzug in den Standard fand. Wenn man die BPMN lehrt, so gibt es stets einen fachlich sinnvollen Anwendungsfall, der den Einsatz jedes Elements rechtfertigt. Wie sollen korrekte und aussagekräftige BPMN-Modelle entstehen, wenn man nur einen Bruchteil der BPMN-Palette den Nutzern zur Verfügung stellt?

Ich finde es zudem anmaßend und bevormundend den Menschen gegenüber, die später die BPMN einsetzen sollen und wollen. Als wären sie nicht selbst in der Lage zu entscheiden, was sie verwenden möchten oder nicht, sofern Sie zumindest einmalig die BPMN-Möglichkeiten erklärt bekommen haben. Ich war jedenfalls einmal mehr enttäuscht darüber, BPMN in ein solch schlechtes Licht gerückt zu sehen.

Alles in allem war das Webinar also eher ernüchternd und gemäß meiner Definition weder eine Digitalisierung noch eine digitale Transformation. Wenn überhaupt, so kann man einen hauchdünnen Digitalisierungsansatz erkennen, da eine toolunterstützte bereichsübergreifende Zusammenarbeit erreicht wurde. Immerhin.

Sie sehen also, Digitalisierung ist nicht gleich Digitalisierung und digitale Transformation längst nicht gleich digitale Transformation. Diese beiden Beispiele haben das unterschiedliche Verständnis der Begriffe einmal mehr eindrucksvoll verdeutlicht. Genau das macht die Diskussion um diese Begriffe so schwierig, da jeder etwas anderes darunter versteht. Seien Sie also kritisch, wenn mit diesen Begriffen geworben wird und klären Sie vorher ab, was Sie erwarten können. Nur so können Sie Enttäuschungen vorbeugen.

Beim Prozessgesteuerten Ansatz wissen Sie jedenfalls genau, woran Sie sind: Qualitativ hochwertige Digitalisierung und digitale Transformation gemäß der Begriffsdefinitionen aus meinem Grundlagenartikel. Diese Webseite trägt alles Wesentliche zusammen, was Sie für einen Start in die Digitalisierung bzw. digitale Transformation wissen müssen. Legen Sie los!

Graphic Recording meines Vortrags auf der Konferenz „Agile Verwaltung“

Gestern hatte ich das große Vergnügen, auf der Konferenz „Agile Verwaltung“ in Form eines Impuls-Vortrags über neue Wege der digitalen Transformation in öffentlichen Einrichtungen zu sprechen. Das Feedback zur Session hat mir gezeigt, dass die Botschaft verstanden wurde: Der richtige Weg zur digitalen Transformation führt ausschließlich über den Prozessgesteuerten Ansatz!

Doch auch der Veranstalter hatte eine besondere Überraschung parat: Meine Session wurde in Form eines „Graphic Recordings“ aufgenommen! Es gibt also keine Videoaufzeichnung meines Vortrags, aber eine grafische Aufnahme, die von Imke Schmidt-Sári (123comics) parallel zu meinem Vortrag angefertigt wurde. Und was soll ich sagen? Das „Recording“ ist phänomenal geworden! Ich will Euch dieses Meisterwerk natürlich nicht vorenthalten und darf es mit freundlicher Genehmigung des Veranstalters und der Künstlerin hier veröffentlichen. Hier ist es also (Tipp: Bild mit rechter Maustaste anklicken und „Bild in neuem Tab öffnen“ auswählen, um das Werk in voller Größe genießen zu können):

Graphical Recording erstellt von Imke Schmidt-Sári (123comics)

Der „Prozessgesteuerte Ansatz“ mal ganz anders repräsentiert. Wenn das keine Lust auf den Prozessgesteuerten Ansatz macht, verstehe ich es auch nicht mehr 😉.

Nachhaltigkeit in der Softwareentwicklung und der Moral Hazard

Leser meiner Webseite wissen, dass ich über die Art und Weise, wie heute Software entwickelt wird, höchst unzufrieden bin. Der Einsatz von Robotic Process Automation (RPA) beispielsweise oder die Programmierung von Prozessen (egal ob monolithisch über starren Programmcode oder über ereignisbasierte Microservices) sind meiner Meinung nach höchst bedenkliche Entwicklungen mit weitreichenden negativen Folgen für Unternehmen, die dem Bestehen der Unternehmen im Zeitalter der digitalen Transformation entgegenwirken.

Die möglichen Auswirkungen dieser Entwicklungen, was das alles mit Nachhaltigkeit und dem Moral Hazard zu tun hat, aber auch welche Möglichkeiten es gibt, den negativen Folgen zu begegnen, habe ich in meinem neuesten Artikel diskutiert. Ich freue mich auf reichlich Feedback!

Digitalisierungs-Eldorado „Öffentliche Verwaltung“

In meinem heutigen Blog-Beitrag möchte ich auf einen hörenswerten Podcast des Handelsblatts aufmerksam machen, der am 09.07.2021 veröffentlicht wurde und unter diesem Link anzuhören ist. In diesem Podcast wird Lars Zimmermann interviewt. Gemäß der oben verlinkten Ankündigungsseite zu dem Podcast „baut Lars Zimmermann mit Public eine sogenannte Venture Firm auf, die Tech-Startups und Verwaltungen zusammenbringt. Außerdem stellt Public Kontakt zwischen Startups und internationalen Investoren her, die gerade enorme Summen in das Feld investieren.“

Inhaltlich werden folgende Fragen diskutiert (ebenfalls obiger Seite entnommen):

„Welche Ideen haben wirklich eine Chance? Wie sieht ein moderner Staat aus? Ist es überhaupt realistisch, dass die schleppende Digitalisierung mehr Fahrt aufnimmt oder bleibt es am Ende wieder bei leeren Versprechen? Und welche Rolle können junge Technologiefirmen bei alledem spielen?“

Soweit also die Ankündigung auf der Handelsblatt-Webseite. Hört man sich den Podcast an, so ist es im Grunde ein einziger Schrei nach dem „Prozessgesteuerten Ansatz“. Wieder einmal geht es im Kern um neue Prozesse, die, wenig überraschend, so schnell wie irgend möglich umzusetzen sind. Auch Lars Zimmermann weist auf den hinlänglich bekannten Punkt hin, dass es nichts bringen wird, aktuelle Prozesse einfach nur digital nachzubauen. An dieser Stelle erinnere ich nur an das altbekannten Dirks-Zitat: „Wenn Sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben Sie einen scheiß digitalen Prozess.“

Zimmermann formuliert es etwas eleganter (Minute 11:29): „Wir digitalisieren gerade die Vergangenheit nach.“ Aber er spricht auch die organisatorischen Herausforderungen der Digitalisierung an, denen wir insbesondere hier in Deutschland aufgrund der föderalen Struktur gegenüberstehen. Auf den Punkt gebracht sagt er (Minute 12:35): „Wie machen wir den Föderalismus fit für das 21. Jahrhundert?“

Allein: Wegweisende Antworten, wie das genau zu erreichen ist, findet man nur wenige, denn wir werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das föderale System nicht grundlegend infrage stellen. Von daher bin ich, was diese Forderung angeht, mehr als skeptisch.

Angesprochen auf Public und welche Rolle Public konkret spielt, stimmen mich seine Antworten ebenfalls nachdenklich. Konkret antwortet er (ab Minute 19:40):

„Unser Hebel ist, dass wir sagen, es gibt ’ne ganze Reihe von technologischen Lösungen und Innovationen, die in der Tech-Szene schon bestehen oder dort entwickelt werden und die aber noch keine Anwendung in Verwaltungen finden und wir sagen: Es würde so viel einen Mehrwert für alle möglichen Bereiche geben, wenn wir diese Lösungen aus Deutschland oder aus Europa in Deutschland selber anwenden. D.h. wir versuchen im Grunde genommen diese Brücke zu bauen zwischen Startups/Technologieunternehmen und dem Staat als Anwender und als Nachfrager und als Auftraggeber und damit können wir natürlich z.B. relativ schnell sehr gute Produkte in die Verwaltung bringen.“

Er spricht auch später stets von den „richtigen Produkten“ (21:36) für die Verwaltungen. Das ist typisch für die meiner Meinung nach nicht mehr passende Denkweise im Zeitalter der digitalen Transformation. Es geht eben nicht mehr um fertige Lösungen und Produkte, die dann mal so eben in den Verwaltungen einzusetzen sind. Das verschlimmert den Zustand der Schnittstellenrepublik, wie es die ebenfalls in dem Podcast zitierte Bundeskanzlerin (Minute 24:10) so treffend ausdrückt, nur zusätzlich. Außerdem befindet sich der Markt in einem solchen Wandel, auf welche Lösung sollten die Verwaltungen denn setzen? Die Lösung von heute ist morgen schon wieder veraltet. Wie will man bei diesem Hase-und-Igel-Rennen gewinnen? Glaubt Hr. Zimmermann wirklich, dies ließe sich in diesem Ameisenhaufen in irgendeiner Form geordnet umsetzen? Ich glaube nicht daran.

Das bereits oben angesprochene Zitat der Bundeskanzlerin ist in vielerlei Hinsicht interessant. Hören wir nochmal in den Podcast rein (24:10):

„Wir dürfen keine Schnittstellenrepublik werden, wo wir permanent irgendwelche Schnittstellen miteinander vernetzen, wo sich aber die einzelnen Untersysteme nicht gleichmäßig weiterentwickeln. Und Digitalisierung hat ja ständige Erneuerung und das ist ’ne richtige tiefe Debatte, die wir über die Funktionsfähigkeit eines föderalen Systems im digitalen Zeitalter führen müssen.“

Diese Systemvielfalt ist mit Sicherheit ein Hindernis bei der geforderten schnellen digitalen Transformation Deutschlands. Aber sich dieser Herausforderung zu stellen und Lösungen unter Berücksichtigung der Heterogenität zu finden, genau an diesem Punkt scheiden sich die Geister. Stattdessen wird Unmögliches gefordert: Die Untersysteme, wie es die Bundeskanzlerin fordert, sollen sich gleichmäßig weiterentwickeln. Wie soll das funktionieren? Wie soll das in diesem „Hühnerhaufen“ umgesetzt werden? Und das schnell?

Lars Zimmermann schlägt in eine ähnliche Kerbe (ab Minute 24:40). Er fordert die Erfüllung von drei Bedingungen. Sind sie erfüllt, so Zimmermann, dann ist die Skalierung von Technologie zu schaffen:

  1. Zentrales Auffinden der Lösungen und deren Einsatz (aktuell keine Transparenz im Markt, was wo eingesetzt wird)
  2. Interoperabilität
  3. Standardisierung (Marktplatz, Plattform)

Getoppt werden diese Bedingungen mit Zimmermanns Aussage, die den „heiligen Gral der kommunalen Selbstbestimmung in Technologiefragen“ (25:55) infrage stellt. Meine Meinung dazu: Unrealistisch!

Die einzige Möglichkeit, in diesen stürmischen Zeiten die Weichen richtig zu stellen, ist die Standardisierung auf Prozessebene. Diese Prozesse in einem Process App Store zu sammeln und den Verwaltungen dann zur Verfügung zu stellen. Dieser Ansatz scheint mir zielführend und erfolgversprechend zu sein, wenn es darum geht, Prozesse in der Fläche zu skalieren.

Diese Skalierung in der Fläche wird auch von Markus Richter als kritisch angesehen. Markus Richter ist CIO der Bundesregierung und gibt im Podcast ebenfalls ein kurzes Statement ab (Minute 35:10): „Wir haben viele digitalen Lösungen und in vielen Bereichen ist das auch im Praxisbetrieb. Aber es skaliert nicht in der Fläche. Es ist eben nicht so, dass man in Deutschland auf einen Knopf drückt und dann ist der digitale Bauantrag in allen Kommunen vorhanden. […] Das ist die große Herausforderung, die Skalierung in der Fläche.“

Genau diesem Traum des Knopfdrucks und des Ausrollens von Prozessen in der Fläche kommen wir mit dem Process App Store schon sehr nahe, insbesondere natürlich dann, wenn diese Prozesse dem „Prozessgesteuerten Ansatz“ folgen. So können diese innovativen systemunabhängigen Fachprozesse über systemabhängige Integrationsprozesse (siehe hierzu den Abschnitt der „Prozessgesteuerten Architektur“ in meinem Grundlagenartikel über den Prozessgesteuerten Ansatz) an die jeweiligen lokalen Gegebenheiten der Behörde angepasst werden, in der die neuen Fachprozesse letztendlich zum Einsatz kommen.

In die föderalen Strukturen müsste bei diesem Vorgehen nicht eingegriffen werden. Die Kommunen dürften sogar unabhängig voneinander neue Prozesslösungen erarbeiten und sie im Process App Store zur Wiederverwendung veröffentlichen, alles kein Problem. Es kommt letztendlich zu einem Wettbewerb der Prozessideen und nicht der Produkte und Lösungen! Der bessere (Prozess) möge gewinnen. Und diese könnten anschließend mit überschaubarem Aufwand in den Kommunen zum Einsatz kommen! So könnten Deutschlands Verwaltungen wirklich innoviert werden! Wenn uns das gelänge, könnten wir wieder zu den Vorreitern der Verwaltungen werden, wie uns dies im analogen Zeitalter gelungen war und damit dem finalen Wunsch von Lars Zimmermann erfüllen, wenn er fordert (Minute 47:45):

„Die Bundesrepublik Deutschland sollte die Ambitionen haben zu sagen, wir sind unter den Top Drei Tech-Nationen der Welt. Das sollte und muss aus meiner Sicht die Ambition sein, auch der nächsten Bundesregierung: Zu sagen, es gibt drei Länder, wo Technologien die Basis für zukünftiges Wachstum sind und das sind die USA, das ist China und das ist die Bundesrepublik Deutschland“.

Der „Prozessgesteuerte Ansatz“ steht jedenfalls bereit, um diese Ambitionen Wirklichkeit werden zu lassen!

PiDiArtify-Initiative gestartet

Es ist mir eine Freude, heute eine ganz besondere Initiative ankündigen zu dürfen. Unter „PiDiArtify – die Kunst der methodischen Prozessautomatisierung“ möchte ich meinen Beitrag zu einer nachhaltigen digitalen Transformation von Unternehmen durch Einsatz des Prozessgesteuerten Ansatzes leisten!

Ziel der PiDiArtify-Initiative ist der Aufbau einer Community zum Austausch von Wissen und Erfahrungen zum Einsatz des Prozessgesteuerten Ansatzes in Unternehmen. Dadurch wird eine schnellere Verbreitung des Ansatzes angestrebt und Unternehmen die Chance gegeben, in diesen stürmischen Zeiten der digitalen Transformation zu bestehen und Geschäftsmodelle auf ein neues Niveau zu heben.

Insbesondere Startups eröffnet die Initiative Möglichkeiten, ihre Prozessanwendungen von Beginn an auf ein qualitativ hochwertiges Fundament zu stellen.

Weitere Details zu den Hintergründen und Zielen der Initiative sowie zur kostenlosen Teilnahme sind auf meiner Webseite unter https://volkerstiehl.de/pidiartify zu finden.

Ich hoffe auf eine breite Unterstützung! Auch wenn es sonst nicht meine Art ist, so bitte ich Sie diesmal darum, diese Ankündigung mit so vielen Ihrer Kontakte wie möglich zu teilen.

Vielen Dank schon jetzt für Ihre Unterstützung!