ServiceNow und Celonis gehen strategische Partnerschaft ein: Eine Gefahr für SAP?

Vor gut zwei Wochen, am 06.10.2021, kündigten Celonis und ServiceNow eine strategische Partnerschaft an (siehe z.B. die Veröffentlichungen dazu auf den jeweiligen Webseiten von Celonis und ServiceNow). Durch diesen Schritt wird einmal mehr ein Trend offensichtlich, der sich schon durch SAP‘s Kauf von Signavio (siehe hierzu auch meinen Blog-Beitrag vom 28.01.2021) angedeutet hatte: Unternehmen, die Process Mining-Lösungen anbieten, kooperieren mit Lösungsanbietern, um die mittels Process Mining erkannten Prozessdefizite beheben zu können. Sowohl in meinem kritischen Grundlagenartikel zu Process Mining als auch in o.g. Blog-Artikel ging ich auf diese Problematik bereits ein und es war natürlich abzusehen: Nur mit den Erkenntnissen über Unzulänglichkeiten in den eigenen Abläufen ist kein Blumentopf zu gewinnen. Erst die daraus abgeleiteten Handlungen zur Behebung der Schwachstellen bringen ein Unternehmen wirklich nach vorne. Und genau diese Entwicklung können wir an der Celonis/ServiceNow-Partnerschaft sehr schön beobachten!

Ist das nun die Trotzreaktion von Celonis, die sich schon nach dem SAP-Signavio-Deal angedeutet hatte? Wie muss sich Celonis wohl gefühlt haben, als sich SAP durch den Kauf von Signavio eine eigene Process Mining-Lösung in ihr Produkt-Portfolio holte? Offensichtlich ist das Münchener Vorzeigeunternehmen bei der Suche nach einem passenden Lösungsanbieter in ServiceNow nun fündig geworden. Aus meiner Sicht sind an dieser Partnerschaft zwei Aspekte besonders hervorzuheben:

  1. Der CEO von ServiceNow ist niemand geringerer als Ex-SAP-CEO Bill McDermott
  2. Mit ServiceNow steigt ein Anbieter in den Ring, der neben Standardlösungen auch eine Low-Code-Entwicklungsumgebung auf Basis grafischer Workflows anbietet

Punkt 1 ist besonders delikat: Bill McDermott kennt die SAP aus seiner Zeit als SAP-CEO natürlich wie seine Westentasche und weiß somit um SAP’s Stärken und Schwächen. Der Deal hat also ein ganz besonders „Geschmäckle“ und man darf gespannt sein, wie aggressiv er mit ServiceNow sein ehemaliges Unternehmen angeht. Nutzt er die (vermeintlichen) Schwächen der SAP zu seinen Gunsten?

Aber auch Punkt 2 ist nicht zu unterschätzen: ServiceNow setzt auf eine Low-Code-Plattform, die sie aggressiv mit der Eigenschaft bewirbt, Workflows in kürzester Zeit umsetzen zu können – und das auf grafischer Basis. Das ist durchaus bemerkenswert und bestätigt meine Einschätzung, wohin die Reise bei der Implementierung von Abläufen zukünftig hingehen wird. Obwohl ServiceNow mit Ihrer Plattform zwei offensichtliche Fehler begeht (welche sind das wohl 😉?), die beispielsweise die SAP zu ihrem Vorteil nutzen könnte, gibt ihnen der Erfolg dieser Strategie aktuell recht. Wie wird die SAP auf diese Kampfansage jetzt wohl reagieren? Ich hätte da einen Vorschlag 😉. Wie dem auch sei: Es wird auf alle Fälle spannend zu beobachten sein, wie sich der hier abzeichnende Zweikampf der Systeme zwischen den Paaren SAP/Signavio und ServiceNow/Celonis weiterentwickeln wird. Ich werde Sie diesbezüglich hier auf meiner Plattform natürlich auf dem Laufenden halten! Seien Sie also gespannt 😊.

SAP kauft Signavio

Diese Schlagzeile, die sich gestern (27.01.2021) wie ein Lauffeuer verbreitete (siehe z.B. entsprechende Veröffentlichungen auf den Online-Plattformen vom Manager Magazin, Handelsblatt, CIO oder Business Insider) kann natürlich nicht unkommentiert bleiben. Nachdem ich mich in einem meiner letzten Blogs kritisch zu SAP’s Zukunft geäußert hatte, freut mich diese Ankündigung natürlich umso mehr! Noch zu meiner SAP-Zeit habe ich mich stets für eine enge Zusammenarbeit mit Signavio und sogar für deren Kauf stark gemacht. Umso erfreulicher, dass nun Vollzug gemeldet werden kann. Allerdings waren meine Beweggründe für einen Kauf damals anders motiviert, denn zu der damaligen Zeit war deren BPMN-Modellierungstool einfach herausragend im Vergleich zu anderen Angeboten. Cloudbasiert, sehr intuitiv und einfach zu bedienen und natürlich, ganz wichtig, die vollständige Abdeckung der BPMN-Elemente. Auch heute noch setze ich den Process Manager bevorzugt in der Lehre ein. Ich hoffe, die kostenlose Bereitstellung des Tools für Universitäten und Hochschulen bleibt auch unter der SAP erhalten 😉

Den Presseberichten folgend, steht bei diesem Kauf jedoch ein anderer Beweggrund im Mittelpunkt: Process Mining und Geschäftsprozessoptimierung! Denn auch Signavio konnte der Process-Mining-Versuchung nicht widerstehen und etablierte die Signavio Business Transformation Suite (siehe Signavio-Homepage zur Business Transformation Suite), die sich voll und ganz auf die Optimierung von Geschäftsprozessen durch „Live Insights“ (also der Echtzeit-Anzeige von Unternehmensabläufen) konzentriert. Das ist natürlich ein herber Schlag für Celonis, mit denen SAP bisher im Bereich Process Mining kooperierte. Nach meinem Artikel über Process Mining kennen Sie meine kritische Haltung zu diesem Thema. Dennoch lässt sich natürlich kurz- und mittelfristig darauf ein lukratives Geschäft aufbauen. Genau das, was SAP jetzt benötigt.

Ich jedenfalls freue mich für die SAP und das Team um Signavio-Chef Gero Decker. Jetzt fehlt der SAP eigentlich nur noch eine vernünftige Process Engine, um die mit Signavio modellierten BPMN-Modelle zur Ausführung zu bringen. Aber auch hier gibt es interessante Übernahmekandidaten. Ich hätte da ein paar Vorschläge… 😉