Amüsieren Sie sich auch so köstlich über Filmaufnahmen aus der guten alten Zeit, auf denen zu sehen ist, wie umständlich und unter Verwendung abenteuerlich konstruierter Maschinen/Hilfsmittel manche Dinge abgewickelt wurden? Bei technologischen Innovationen sind die Unterschiede besonders auffällig. Das erste Telefon, das erste Auto, das erste Flugzeug, das erste Fahrrad usw. Im Vergleich zur heutigen Zeit war das früher schon alles sehr umständlich. Toll auch die Entwicklungen im Sport wie z.B. beim Skispringen, die Bobs im Eiskanal, die ersten Schlittschuhe oder die Veränderung der Technik im Hochsprung. Ja selbst der Ball, mit denen unsere hochbezahlten Kicker ihre Traumtore heutzutage fabrizieren, ist ein High-Tech-Produkt, das außer der Kugelform mit der früheren „Pille“ nichts mehr gemeinsam hat.
Warum erwähne ich das? Weil ich der festen Überzeugung bin, dass wir Ähnliches gerade bei der E-Mobilität beobachten können: Kürzlich stolperte ich über den Bericht eines Tesla-Fans, der die Durchführung einer Fahrt mit seinem Tesla Model S über 1000 km an einem Tag auf Spotify veröffentlichte. Voller Enthusiasmus und mit einem gewissen Stolz beschreibt er, mit welchen Tricks, Berechnungen und der daraus resultierenden Ladestrategie er sein Ziel tatsächlich erreichte. Als ich diesen Bericht hörte, konnte ich ein ungläubiges Kopfschütteln nicht unterdrücken. Viele Menschen sind überhaupt nicht in der Lage, die dort vorgenommenen Berechnungen zu verstehen, geschweige denn selber durchzuführen. Die für konventionelle Autofahrer neuen Einheiten wie kW und kWh erleichtern das Verständnis und die Berechnungen nun auch nicht gerade. Zudem, und davon bin ich überzeugt, wollen viele Autofahrer so etwas auch überhaupt nicht. Sie wollen längere Fahrten nicht generalstabsmäßig planen und sich vom Auto fremdbestimmen lassen, wann sie die Toilette aufzusuchen haben. Sorry, aber für mich klingt das nach E-Mobilität zum Abgewöhnen.
In meinem Artikel über das Innovator’s Dilemma habe ich beispielhaft gezeigt, wie derartige Fahrten durch Prozesse optimiert werden können. Ich gebe lediglich meinen Zielort an, der Rest wird durch Prozesse koordiniert. Keine langwierige Vorab-Planung, sondern einfach einsteigen und losfahren. Den Rest übernehmen Prozesse. Diese Art von Innovation basierend auf Prozesse scheint selbst Tesla noch nicht erkannt zu haben. Vielleicht eine Chance für unsere heimischen Automobilhersteller?
Noch schöner wäre es, würden auch noch diese unsäglichen Ladezeiten entfallen. Mein Ex-Chef aus alten SAP-Tagen, Shai Agassi, war diesbezüglich mit seiner Firma Better Place schon auf einem vielversprechenden Weg, nämlich Batterien einfach komplett auszutauschen. An jeder x-beliebigen Stelle könnten durch Dienstleister in einem kurzen 5-Minuten-Boxenstopp die Batterien bequem getauscht werden. Der Fahrer könnte dabei sogar im Auto sitzen bleiben. Better Place dachte damals noch an immobile Batterie-Wechselstationen. Mobile Wechselstationen in Form von LKWs, die mit Batterien beladen an den Ort des Wechsels fahren, scheinen mir hier aussichtsreicher zu sein. Stellen Sie sich das einfach mal vor: Das Auto kennt Ihre Reiseroute, den aktuellen Ladestatus, Ihre Fahrgewohnheiten usw. Während der Fahrt errechnet Ihr Auto den nächstbesten Wechselort auf Ihrer Strecke und koordiniert die Bereitstellung einer passenden Batterie mit dem Batterie-Dienstleister. Das könnte an der Autobahn jeder Parkplatz sein. Sie verlassen die Autobahn und der Batterie-Dienstleister steht dort schon zum Austausch bereit. Nach nur wenigen Minuten sind Sie mit einer vollständig geladenen Batterie versorgt. Ein Traum!
Ja, wenn wir schon an diesem Punkt wären, würde auch ich mir Gedanken über die Anschaffung eines E-Autos machen. Doch so merke ich mir vorerst die o.a. Spotify-Sendung für meine Enkel, damit auch Sie etwas zum Schmunzeln haben, wenn sie von der guten alten Zeit hören, als die E-Mobilität Einzug in unser Leben hielt.